taz.de -- Hitzewelle im Süden Asiens: Viel trinken und zu Hause bleiben

Die frühe Hitzewelle in Indien könnte viele Todesopfer fordern. ExpertInnen sehen den Klimawandel als Ursache für das Extremwetter.
Bild: 35 Grad im Schnitt: Eine Schülerin im indischen Prayagraj schützt sich vor Sonne und Virus

DELHI taz | Es ist ein Teufelskreis: Um die extremen Temperaturen von teils über 45 Grad in Teilen Indiens zu ertragen, hilft nur Kühlung durch Ventilatoren und Klimaanlagen. Letztere heizen aber mit ihrer Abwärme weiter ein. Hinzu kommt, dass laut Regierungsangaben 75 Prozent der [1][Stromerzeugung in Indien durch Kohlekraftwerke] erfolgt, auch wenn der Solarsektor gerade ausgebaut wird.

„Die derzeitige Hitzewelle in Indien wird durch den Klimawandel verschärft, der auf die Verbrennung von Kohle und anderen fossilen Brennstoffen zurückzuführen ist. Das ist mittlerweile bei jeder Hitzewelle überall auf der Welt der Fall“, sagt die Klimaforscherin [2][Friederike Otto] vom Imperial College London, die den Anteil des Klimawandels bei Extremwetterereignissen untersucht. Solange der Ausstoß von Treibhausgasen also nicht gestoppt wird, würden die Hitzewellen in Indien und anderswo immer gefährlicher, so Otto.

Indien wird seit Ende März von einer ungewöhnlich langen Serie von Hitzewellen heimgesucht. Nach Angaben des indischen Wetterdienstes [3][IMD] war der April der heißeste in Nordwestindien seit 122 Jahren. Landesweit betrugen die Durchschnittstemperaturen 35,05 Grad. Expert:innen führen das auch auf ausbleibende Regenfälle zurück. Ähnliches trifft auf Indiens Nachbarland Pakistan zu, wo das Klimaministerium seine Besorgnis geäußert hat. Für Muslim:innen endet demnächst der Fastenmonat Ramadan.

Der Sozialmediziner Dileep Mavalankar von Indian Institute of Public Health im westindischen Gandhinagar bestätigt, was die Bevölkerung längst spürt: „Dies ist eine sehr frühe Hitzewelle“, sagt er, daher weist sie „eine höhere Sterblichkeitsrate auf, da die Anpassungsfähigkeit und Vorbereitungszeit in den Monaten März und April geringer ist“. Mavalankar sieht dies als Warnsignal für die Regenzeitvormonate Mai und Juni und rät dringendem Handeln, um Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern.

Stromverbrauch steigt an

Viele Regionalregierungen fordern die Bevölkerung auf, vor allem nachmittags in den Häusern bleiben und viel zu trinken. Besonders Ältere und Menschen mit Vorekrankungen sollten sich schonen. Doch für Millionen von Menschen sind die Möglichkeiten begrenzt. Angesichts der angespannten wirtschaftlichen Lage nach der Pandemie und der steigenden Lebensmittelpreise können sie es sich kaum leisten, sich auszuruhen.

Unterdessen steigt der Stromverbrauch in Indien durch den vermehrten Einsatz von Klimaanlagen und Ventilatoren stark an. Gleichzeitig sind die Kohlereserven in Kraftwerken zur Verstromung knapp, was landesweit zu Stromausfällen führt. In Bundesstaaten wie Rajasthan, Gujarat oder Andhra Pradesh wurde der Strom für Fabriken rationiert, um den Bedürfnissen der Bevölkerung nachzukommen.

Die Sorge über hitzebedingte Todesfälle ist groß. Neben älteren Menschen bereiten die Höchsttemperaturen besonders Kindern Probleme, die zu Fieber und Durchfall führen können. In der Hauptstadt Delhi entzündete sich aufgrund der hohen Temperaturen bereits eine riesige Mülldeponie. Neben Indien schlägt ebenfalls Nepal Alarm: auch hier lauert die Gefahr durch Brände. Immerhin soll die Hitzewelle ab Dienstag etwas abklingen.

1 May 2022

LINKS

[1] /Neuer-Report-zum-Kohleausstieg-2050/!5820712
[2] /Kommunikation-ueber-die-Klimakrise/!5716352
[3] https://mausam.imd.gov.in/

AUTOREN

Natalie Mayroth

TAGS

Schwerpunkt Klimawandel
Indien
Hitze
klimataz
Mumbai
Indien
Indien
Schwerpunkt Klimawandel
Indien
Schwerpunkt Klimawandel
Bangladesch
Asien

ARTIKEL ZUM THEMA

Hitze in Indien: Vor dem Monsun

Die Regenzeit lässt im Westen Indiens dieses Jahr etwas auf sich warten. Das lässt die Menschen schwitzen und von kühleren Zeiten träumen.

Studie zu Hitze und Gesundheit: Klimakrise kostet Schlaf

Steigende Temperaturen gehen auch auf Kosten der Schlafqualität, sagt eine Studie. Besonders betroffen sind ärmere und ältere Menschen.

Extreme Hitze in Indien und Pakistan: Gelebte Klimakrise

Südasien ächzt unter einer Hitzewelle. Laut Studie hat der Klimawandel das Extremwetter viel wahrscheinlicher gemacht.

Apokalypse der Woche: Südafrikas tödliche Fluten

Früher hieß es, von einem einzelnen Wetterereignis könne man gar nicht auf den Klimawandel schließen. Mittlerweile gibt es Methoden, genau das zu tun.

Hitzewellen in Südasien: Hitze verschärft Krisen

In Indien bleiben die Temperaturen auf Rekordniveau. Die Politik setzt auf grüne Technologien, die Menschen retten sich mit Galgenhumor über den Tag.

Hitzewelle über Indien und Pakistan: Alarmstufe Orange

Der frühe Sommerbeginn trifft Südasien hart. Seitdem die Hitze ansteigt, kommt es zu Stromengpässen, was den Menschen weiter zusetzt.

Folgen des Ukrainekriegs in Bangladesch: Lebensmittelpreise fast verdoppelt

Stark steigende Lebensmittelpreise setzen der Bevölkerung zu. Jetzt soll ein staatliches Subventionsprogramm zur Stabilität beitragen.

Klimakonferenz in Glasgow: Asien ist doppeltes Sorgenkind

Schwer betroffen und schwer am Emittieren: Ein Bericht des Weltklimarats zeigt, wie stark Asien unter der Erderhitzung leidet.