taz.de -- Wahlen in Frankreich: Keine Garantie für Macron
Macron sollte sich nach der ersten Wahlrunde nicht zu sicher sein. Viele Linke und Konservative könnten ihm die Stimme verweigern.
Rein rechnerisch betrachtet, gäbe es eigentlich kaum Grund zu großer Sorge. Zwar hat die [1][extreme Rechte in Frankreich] mit ihren drei separaten Kandidaturen Le Pen, Zemmour, Dupont-Aignan bei den Präsidentschaftswahlen nochmals zugelegt und kommt zusammengezählt auf schreckliche 33 Prozent. Gewiss kann Macron bei der [2][Stichwahl] auf die Unterstützung der übrigen, aus der Finalrunde eliminierten Kandidatinnen und Kandidaten rechnen, die dazu aufrufen, mit dem Macron-Wahlzettel Marie Le Pen und die reaktionäre Rechte nochmals zu stoppen – wie schon 2017.
Auf dem Papier ergeben diese Zusatzstimmen von Konservativen und Linken eine beruhigende Mehrheit. Nichts garantiert aber, dass diese mehr oder weniger frustrierte Basis der Verlierer*innen dem Appell folgen. Bei der kommenden Wahl kann die Wut über die Vernunft triumphieren. Denn in den fünf Jahren seiner Präsidentschaft hat Macron manche frühere Anhänger enttäuscht, und noch mehr seiner Gegner so sehr verärgert, dass sie es sich kaum vorstellen können, ihm ihre Stimme zu geben – selbst wenn sie einräumen, dass Le Pen als Präsidentin eine Katastrophe wäre.
Das gilt nicht nur für die [3][ehemaligen Gelbwesten], die den Staatschef für die Repression auf ihren Demonstrationen verantwortlich machen und vom 24. April bereits von einer „Wahl zwischen Pest und Cholera“ sprechen. Auch viele linke Mélenchon-Wähler*innen wollen nicht zwischen zwei politischen Feinden wählen. Zudem hat Le Pen sehr clever an ihrem Image gefeilt, um nicht – wie früher ihr Vater Jean-Marie Le Pen – gutbürgerliche Wähler*innen abzuschrecken.
Dank der Konkurrenz von Eric Zemmour, der sie noch rechts überholen wollte, erscheint sie heute fast gemäßigt, obwohl sie nur an ihrem Stil, nicht aber beim ideologischen Inhalt Abstriche gemacht hat. Dass sie 2017 von Putin als Wunschkandidatin im Kreml empfangen und von einer russischen Bank finanziert wurde, müsste – hoffentlich – noch so manchen im heutigen Kontext des Kriegs in der Ukraine als Entscheidungshilfe dienen.
11 Apr 2022
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Das TV-Duell zwischen Präsident Emmanuel Macron und seiner rechten Widersacherin Marine Le Pen am Mittwoch könnte über die Stichwahl entscheiden.
Frankreichs Noch-Präsident Emmanuel Macron zeigt sich in Straßburg als Kämpfer für Europa. Vor der Stichwahl muss er jetzt endlich Wahlkampf machen.
In der Pariser Vorstadt Saint-Denis sind viele gar nicht zur Wahl gegangen. Jetzt ärgern sie sich über das erneute Duell Macron gegen Le Pen.
In der zweiten Runde trifft der Amtsinhaber, wie 2017, auf die Rechtspopulistin Marine Le Pen. Sie könnte von rechten und linken Stimmen profitieren.
Macron und Le Pen dominieren. Die politische Linke in Frankreich steht sich selbst im Weg.
Amtsinhaber Macron gewinnt klarer als zuletzt befürchtet. Doch Rechtspopulistin Le Pen hat anders als 2017 eine rechte Reserve.