taz.de -- Eskalation in der Ostukraine: Kriegsgeheul im Donbass
Die Separatisten in den „Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk lassen Zivilisten nach Russland evakuieren. Angeblich droht ein Angriff der Ukraine.
Berlin taz | In der Ostukraine überschlagen sich die Ereignisse. Am Freitag berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti von mehreren Explosionen in der Stadt Donezk – davon eine in unmittelbarer Nähe des Regierungsgebäudes.
Zuvor hatten die Führer der beiden sogenannten Volksrepubliken Lugansk und Donezk, Leonid Pasetschnik und Denis Puschilin die Evakuierung von Zivilist*innen nach Russland angeordnet. In einer entsprechenden Erklärung Pasetschniks heißt es, Behörden und der Kastrophenschutz würden die Bevölkerung dabei unterstützen, zu den Checkpoints zu gelangen. Russland sei bereit, die Menschen aufzunehmen und unterzubringen.
Zur Begründung und unter Verweis auf „Geheimdienstinformationen“ sagte Pasetschnik, in der Region seien wachsende Spannungen zu beobachten. Der ukrainische Aggressor plane Provokationen an der Kontaktlinie und einen Vorstoß auf das Territorium der „Lugansker Volksrepublik“. Gleichzeitig ordnete er die Gründung einer Kommission an, die junge Männer im wehrpflichtigen Alter (ab 17 Jahren) erfassen soll.
Russlands Präsident Wladimir Putin entsandte auf Bitten des Rostower Gouverneurs Wassili Golubow den Chef des russischen Katastrophenministeriums in das südrussische Gebiet. Nach Informationen der russischsprachigen Onlineplattform insider.ru soll der Kremlchef jedem/r Evakuierten die Zahlung von umgerechnet rund 115 Euro zugesichert haben.
Keine Angriffspläne
Der Oberkommandierende der ukrainischen Streitkräfte, Waleri Sasluschni, dementierte jegliche Pläne eines ukrainischen Angriffes auf die sogenannten Volksrepubliken. „Ich wende mich an die Bewohner*innen der vorübergehend besetzten Gebiete: Glaubt nicht den Lügen der Besatzer. Aussagen über eine angebliche Offensive der ukrainischen Streitkräfte und gewaltsame Szenarien der vorübergehend besetzten Gebiete entsprechen nicht der Realität“, sagte er.
Am vergangenen Dienstag und damit parallel zum [1][Moskauer Antrittsbesuch von Bundeskanzler Olaf Scholz bei Russlands Präsidenten Wladimir Putin] hatte die Duma, das russische Parlament, den Kremlchef gebeten, die Unabhängigkeit der beiden sogenannten Volksrepubliken anzuerkennen. Der hatte dazu gesagt, alles dafür tun zu wollen, um das Problem Donbass zu lösen. Dabei sei von den noch nicht bis zu Ende ausgeschöpften Möglichkeiten einer Umsetzung [2][des Minsker Abkommens] auszugehen.
Am Donnerstag waren in der Region erneut Gefechte ausgebrochen. Dabei wurden mehrere Zivilist*innen und ein ukrainischer Soldat verletzt. Beide Seiten beschuldigten sich gegenseitig. In dem Ort Stanitsa Luhanska wurde ein Kindergarten von Granaten getroffen. In dem Dorf Wrubiwka schlug eine Granate auf dem Schulhof eines Gymnasiums ein. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski sprach von einer Provokation der Separatisten.
Allein für den Zeitraum von Mittwochabend bis Donnerstagmorgen meldeten Beobachter*innen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) rund 500 Verstöße gegen die geltende Waffenruhe.
Angebliche Sabotage
Am Freitag berichtete die russische Nachrichtenagentur TASS unter Berufung auf die Volksmiliz der „Volksrepublik Donezk“, es seien zwei Sabotageakte von Streitkräften der Ukraine auf Chemieanlagen in der Nähe der Stadt Gorlowka vereitelt worden.
Bereits Ende Januar hatte der Chef der „Volksrepublik Donezk“ Denis Puschilin gesagt, die Ukraine könne chemische Angriffe an der Kontaktlinie, nach dem Vorbild von oppositionellen Kämpfern in Syrien, vorbereiten.
Über angebliche Sabotageakte wird derzeit auch in westlichen und ukrainische Regierungskreisen sowie Medien spekuliert – allerdings in umgekehrter Richtung. Diesem Szenario zufolge könnten pro-russische Separatisten zu gezielten Provokationen greifen, was Russland dann einen Vorwand liefern würde, um militärisch einzugreifen.
18 Feb 2022
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