taz.de -- Viertelfinale in der NFL: Liga für Erlebnisse
Wendungen, Spannung und wegweisende Entscheidungen: Wer Football liebt, wird das jüngste Wochenende in der NFL nicht so schnell vergessen.
Die Kansas City Chiefs bezahlen Menschen dafür, dass der Rasen im heimischen Stadion die richtige Länge hat, und noch ein paar Menschen mehr, die Stärken und Schwächen des Gegners zu analysieren. Sie bezahlen jemand dafür, dass er den Football besonders exakt durch seine Beine nach hinten schleudert, während er sein Hinterteil nach oben reckt.
Kurz gesagt: In der NFL wird nichts dem Zufall überlassen, aber manchmal bricht dann doch die Anarchie aus, so wie am Sonntagabend, worüber sich vor allem Jayne Martin gefreut haben dürfte. Die steht als „Direktorin für Fan-Erlebnis“ auf der Gehaltsliste der Chiefs – und das Erlebnis, das den Fans geboten wurde, war wirklich außergewöhnlich.
Dass es im Viertelfinal-Spiel zwischen Kansas City und den Buffalo Bills immer unterhaltsam hin und her ging, das war noch zu erwarten gewesen, standen doch mit Chiefs-Quarterback Patrick Mahomes und seinem Gegenpart Josh Allen die beiden hoffnungsvollsten Jungstars der NFL auf dem Platz. Aber was in den letzten Minuten des Spiels passierte, stellte alles in den Schatten.
Gane over? Aber nein!
Zwei Minuten vor Schluss stand Buffalo mit dem Rücken zur Wand, sie hatten nur noch einen Versuch, der geplante Spielzug brach zusammen, Allen war auf der Flucht vor einer Horde Verteidiger, alles schien vorbei, aber irgendwie zauberte er einen Touchdown-Pass aus dem Ärmel. Nun schlugen Mahomes und die Chiefs zurück und ließen den Bills noch eine Minute auf der Uhr. Dann marschierte wieder Allen übers Feld, erneute Führung der Bills mit nur noch 13 Sekunden auf der Uhr. Game over?
Aber nein: Den Chiefs gelingt mit einem Fieldgoal der Ausgleich in letzter Sekunde. Vor der Verlängerung gewinnen die Chiefs den Münzwurf, der das Spiel schlussendlich entscheidet, denn Mahomes bekommt den Ball und findet seinen Mitspieler Travis Kelce für den entscheidenden Touchdown. Es waren, so Kommentatoren anschließend, womöglich „die großartigsten zwei Minuten in der NFL-Geschichte“.
Wegweisendes Wochenende
Dieses „epische Spiel“ (Chiefs-Chefcoach Andy Reid) war aber nur der letzte Akt eines „historischen Wochenendes“ (USA Today), bei dem alle vier Viertelfinalspiele nicht nur in der letzten Sekunde entschieden wurden, sondern vermutlich auch langfristige Auswirkungen auf den umsatzstärksten Sport-Unterhaltungsbetrieb der Welt haben werden.
In Green Bay könnte mit dem überraschenden Aus gegen San Francisco die seit 17 Jahren andauernde Hassliebe zur extrem talentierten, aber charakterlich arg seltsamen [1][Quarterback-Legende Aaron Rodgers] zu Ende gehen. Und in Tampa Bay sitzt ein 44-jähriger [2][Tom Brady] und denkt über seine Zukunft nach: Vielleicht war die Niederlage gegen die Los Angeles Rams das letzte Spiel des achtfachen Super-Bowl-Siegers.
Irgendwann einmal wird man vielleicht auf dieses Wochenende zurückblicken und es als den Moment der großen Wachablösung markieren. Der Augenblick, in dem die bisherigen Aushängeschilder der NFL in den Sonnenuntergang ritten und die neuen Kids den Block übernahmen. Das Spiel in Kansas City war auf jeden Fall ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Rivalität zwischen Patrick Mahomes und Josh Allen die NFL auf Jahre hinaus prägen könnte – und dann sicherlich von den Herren Mike Davidson und Bob Moore, die als „Mannschaftshistoriker“ der Kansas City Chiefs geführt werden, auf das Sorgfältigste aufgezeichnet wird.
25 Jan 2022
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