taz.de -- Sturm auf das Kapitol vor einem Jahr: Biden macht Trump verantwortlich
Am Jahrestag kritisiert US-Präsident Biden seinen Vorgänger und dessen „Netz aus Lügen“ ungewöhnlich hart – allerdings ohne Trumps Namen zu nennen.
Washington dpa | Ein Jahr nach [1][Erstürmung des Kapitols in Washington] hat US-Präsident Joe Biden seinen Vorgänger Donald Trump für den blutigen Angriff auf das Parlament verantwortlich gemacht. „Zum ersten Mal in unserer Geschichte hat ein Präsident nicht nur eine Wahl verloren, sondern versucht, die friedliche Machtübergabe zu verhindern“, sagte Biden am Donnerstag in einer Ansprache zum Jahrestag im Kapitol. „An diesem Gedenktag müssen wir dafür sorgen, dass ein solcher Angriff nie wieder geschieht.“
Trumps Namen nannte Biden nicht. Normalerweise hält er sich – wie andere frühere Präsidenten – mit offener Kritik am Vorgänger zurück. Der US-Demokrat kritisierte, der damalige Amtsinhaber habe den Angriff im Weißen Haus im Fernsehen verfolgt „und nichts getan“. Der Republikaner habe „ein Netz an Lügen über die Wahl 2020“ gesponnen.
Trump stelle seine eigenen Interessen über die der USA. „Sein angeschlagenes Ego ist ihm wichtiger als unsere Demokratie oder unsere Verfassung. Er kann sich nicht damit abfinden, dass er verloren hat.“
Anhänger Trumps hatten vor einem Jahr das Kapitol erstürmt, um zu verhindern, dass Bidens Wahlsieg vom November 2020 bestätigt wird. Bei dem Angriff kamen fünf Menschen ums Leben. Die [2][Attacke auf das Herz der US-Demokratie] erschütterte das Land. Trump hatte seine Anhänger in einer Ansprache angestachelt. Er erkennt seine Niederlage auch fast ein Jahr nach dem Machtwechsel nicht an und behauptet weiterhin, durch Betrug um den Sieg gebracht worden zu sein. Beweise dafür hat er nicht. Dutzende Klagen scheiterten vor Gericht.
Biden nannte Trumps Betrugsbehauptungen am Donnerstag eine „Big Lie“ – eine „große Lüge“. Über seinen Vorgänger sagte er: „Er ist nicht nur ein früherer Präsident. Er ist ein besiegter früherer Präsident.“ Trump sei in einer freien und fairen Wahl unterlegen.
An die Adresse von Wählern sagte Biden: „Der ehemalige Präsident und seine Unterstützer haben beschlossen, dass der einzige Weg, um zu gewinnen, darin besteht, Ihre Stimme zu unterdrücken und unsere Wahlen zu untergraben.“ Das sei „unamerikanisch“.
6 Jan 2022
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Das entsprechende Dekret ist eines der Papiere, deren Herausgabe Trump zu blockieren versuchte. Unterzeichnet wurde es aber nicht, so das Newsportal Politico.
Ein Jahr ist Biden im Amt. Die Midterms geben Grund zur Sorge. Und die Sozialpolitik lässt auf sich warten.
US-Präsident Joe Biden wollte sein Land versöhnen und wichtige Reformen umsetzen. Nach einem Jahr im Amt ist er davon weit entfernt.
Die Attacke auf das Kapitol war Ausdruck einer Verbitterung. Noch immer wirken die, die sich ihr Land zurückholen wollen, als disruptive Kraft.
Charlotte Klonk analysiert in ihrem Essay „Revolution im Rückwärtsgang. Der 6. Januar 2021 und die Bedeutung der Bilder“ die Erstürmung des Kapitols.
Den Sturm aufs Kapitol und die Anschläge vom 11. September unterscheidet weit mehr, als sie verbindet.
Vor genau einem Jahr stürmten Hunderte Anhänger Donald Trumps das Kapitol. Noch heute verharmlosen Teile der Republikaner die Geschehnisse.