taz.de -- Coronawelle überrollt Deutschland: Bürger, lasst das PCR-Testen sein

Die Omikron-Variante des Coronavirus überlastet die PCR-Testlabore. Deren Verband bittet deshalb darum, sich auf Schnelltests zu beschränken.
Bild: Labor von Bioscientia in Ingelheim: In Deutschland sind die Labore zu 86 Prozent ausgelastet

Berlin taz | Mit einem dramatischen Appell haben sich die Laborbetreiber an die Bevölkerung gewandt. „Wir haben die Bitte, nicht mehr auf PCR-Tests zu bestehen“, sagte Michael Müller, Vorsitzender der Akkreditierten Labore in der Medizin (Alm) am Dienstag. Stattdessen sollten die Bürger auf schnelle Antigentests vertrauen. Wenn die in zertifizierten Zentren von Fachpersonal gut durchgeführt würden, „können die gute Ergebnisse liefern“, so Müller.

Grund für den Appell ist [1][die Omikron-Welle.] 74.405 neu registrierte Corona-Infektionen meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) am Dienstag. Die 7-Tage-Inzidenz kletterte mit 553,2 auf ein neues Allzeithoch. Und sie wird in den kommenden Tagen weiter steigen.

In der vergangenen Woche hatten die von Alm vertretenen Labore erstmals fast 2 Millionen PCR-Tests durchgeführt, sie waren damit im Bundesschnitt zu 86 Prozent ausgelastet, in einigen Bundesländern noch deutlich mehr. An diesem Montag seien alle Rekorde nochmals übertroffen worden.

Zwar ist geplant, die Kapazität der Labore bundesweit in der kommenden Woche nochmals auf bundesweit dann 2,5 Millionen Testanalysen zu steigern. Das wäre laut Alm 25 Prozent mehr als im Oktober. Aber angesichts der dramatischen Fallzahlen wird auch das kaum ausreichen.

Klappt das Testen im Ausland wirklich besser?

Deshalb drängen die Labore darauf, dass die vom RKI entwickelte nationale Teststrategie streng umgesetzt wird. Danach sollen in erster Linie nur noch Patient:innen mit Symptomen getestet werden. Auch für Menschen mit besonders hohen Coronarisiken oder Beschäftigte im Gesundheitswesen reichen die Kapazitäten laut Alm noch. Aber darüber hinaus eben nicht mehr.

Theoretisch sei zwar ein weiterer Ausbau der Kapazitäten denkbar. Geräte und Chemikalien seien genug vorhanden, betonten die Alm-Vertreter:innen. Allein es fehle an fachkundigem Personal.

Außerhalb Deutschlands ist das offenbar kein so großes Problem. Erst vor wenigen Tagen hatte der Wiener Gesundheitsstadtrat verkündet, dass die Kapazität kurzfristig von 500.000 PCR-Tests [2][auf 800.000 ausgebaut worden sei], die binnen 24 Stunden ausgewertet werden könnten. Und das allein für die 1,9 Millionen Einwohner:innen der österreichischen Hauptstadt Wien. Doch der Vergleich mit Wien oder anderen Ländern wie Großbritannien hinke, sagte Alm-Vorstandmitglied Evangelos Kotsopoulos.

Bei den Engländern würden für die Kapazität auch Schnelltests mitgezählt. In Österreich werden die Tests in großem Stil zunächst in Zehnerpools geprüft. Erst wenn der positiv ausfalle, wird jeder einzelne nochmals gecheckt. In Österreich werde dann allerdings für die Statistik jeder Getestete einzeln gezählt, in Deutschland bei gleichem Verfahren aber nur jeder Test.

Auch bei der Gesundheitsministerkonferenz am Montagabend war über die Teststrategie geredet worden. Beschlüsse gab es aber nicht. Alm-Vorstand Müller bezeichnete das als „frustrierend“.

18 Jan 2022

LINKS

[1] /Fragen-und-Antworten-zu-Omikron/!5825809
[2] https://twitter.com/mariodujakovic/status/1481963474523766790

AUTOREN

Gereon Asmuth

TAGS

Schwerpunkt Coronavirus
Pandemie
Labor
Lockdown
Franziska Giffey
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Coronavirus

ARTIKEL ZUM THEMA

Giffey will neue Regeln für Corona-Tests: Der Einstieg in den Ausstieg

PCR-Tests könnten wegen knapper Kapazitäten nur noch in gefährdeten Bereichen zum Einsatz kommen. Omikron scheint das zuzulassen. Ein Wochenkommentar.

Testen von Menschen mit Corona-Symptomen: Bremen versagt

Wenn sie keinen Hausarzt für den PCR-Test haben, müssen Bremer:innen in die Ambulanz der kassenärztlichen Vereinigung. Die ist nicht barrierefrei.

Mehr als 100.000 Neuinfektionen: Impfen vor der Welle im Herbst

Wegen rapide steigender Coronazahlen gewinnt auch die Debatte um eine Impfpflicht an Fahrt. Der Gesundheitsausschuss berät in einer Sondersitzung.

Debatte um die Impfpflicht: Verpflichte keinen unter 50

Der FDP-Vorschlag einer Impfpflicht ab 50 ist vernünftig. Sie wäre leichter durchsetzbar – und die Vulnerablen würden so geschützt.

Obdachlose und die Pandemie: Kalt, kälter, Corona

Ohne Ausweis gibt es weder Test noch Impfung, weiß Tatjana Laaß, die Betroffene in Hannover betreut. Ja, es gibt Hilfen. Aber reichen sie?

Nachrichten zur Coronakrise: Klinik-Lage entspannt sich weiter

Der Chef der Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, gibt sich verhalten optimistisch. Gesundheitsminister Lauterbach will beim Zugang zu PCR-Tests „priorisieren“.