taz.de -- FDP will Familienbegriff modernisieren: Anerkennung der Realität
Die FDP arbeitet schon länger an ihrem Konzept zu „sozialen Verantwortungsgemeinschaften“. Die Ideen sind richtig.
Die Idee der [1][„sozialen Verantwortungsgemeinschaft“], die FDP-Justizminister Marco Buschmann aktuell gesetzt hat, erscheint wie ein gezielter Coup zu Weihnachten. In der Tat beschäftigt das die Liberalen schon länger. Nur hat das bislang kaum jemand wahrgenommen, linke Kreise sind bei FDP-Vorstößen naturgemäß skeptisch.
Ausnahmsweise kann die Skepsis hier kurzgehalten werden. Denn das, was der neue Justizminister als Gesetz etablieren will, ist eine Annäherung des Rechts an eine längst gelebte Wirklichkeit: So sollen Paare Auskunftsrecht beispielsweise im Krankenhaus bekommen, ohne dass sie dafür verheiratet sein müssen. Bislang wurden sie an Klinikpforten häufig mit dem Satz abgewiesen: „Sie sind nicht miteinander verwandt oder verheiratet? Dann dürfen wir Ihnen nichts sagen.“
Oder: Das Mietrecht soll nachgebessert werden, wenn zwei (betagte) Menschen ohne Liebesbeziehung gemeinsam leben möchten – das Modell Alten-WG macht ohnehin seit Längerem Schule. Und auch: Soziale Eltern sollen rechtlich gestärkt werden. Also jene Mütter und Väter mit Kindern, die sie – beispielsweise in neuen Beziehungen – betreuen, aber nicht mit ihnen biologisch verwandt sind. Schon lange fordern Familien-, Alleinerziehenden-, Sozial- und progressive Väterverbände eine Modernisierung des Familienbegriffs und dessen rechtliche Ausformung. Es wird also höchste Zeit, diese Expertisen ernst zu nehmen und endlich umzusetzen.
Ohnehin ist die Ampel für die Familienpolitik bislang ein Gewinn. Die grüne Familienministerin [2][Anne Spiegel] hat angekündigt, den Kündigungsschutz nach der Entbindung eines Kindes sowie die Partnermonate beim Elterngeld zu verlängern und Vätern eine zweiwöchige bezahlte Auszeit nach der Geburt ihres Kindes zu ermöglichen.
Den – oft christlichen – Skeptiker:innen sei versichert: Dadurch wird weder die Ehe entwertet noch werden Kinder nun „weniger Verbindlichkeit“ erfahren. Seit 1999 beweist das allein der Pacs in Frankreich, der Pacte civile de solidarité. Dieser „bürgerliche Solidaritätspakt“ funktioniert auch hierzulande.
26 Dec 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die neue Justizministerin Stefanie Hubig möchte eine Co-Mutterschaft erleichtern. Bei der gegenseitigen sozialen Absicherung sieht sie keinen Handlungsbedarf.
Männerverbände fordern bezahlte Vaterschaftsfreistellung. Die steht zwar im Koalitionsvertrag, wurde aber verschoben.
Die Familienministerin hat hohe Erwartungen in Sachen familienpolitischer Modernisierung geweckt. Doch ein grünes Genderparadies ist nicht in Sicht.
Das gesetzliche Modell zur unbürokratischen Eintragung einer Verantwortungsgemeinschaft im Standesamt soll später kommen. Es seien noch Abstimmungen nötig.
Marco Buschmann will „Verantwortungsgemeinschaften“ rechtlich absichern. Vielen würde so das Leben etwas einfacher gemacht werden, sagt der FDP-Politiker.
Die neue Familienministerin will zuerst Paragraf 219a und das Transsexuellengesetz abschaffen. Sie trete nicht an, um einen Beliebtheitspreis zu gewinnen.
Die Ampel definiert in ihrem Koalitionsvertrag Geschlecht und Familie neu. Frauen und Queers soll der Respekt gezollt werden, der allen zusteht.