taz.de -- Russisch-indische Freundschaftsshow: Alte Freunde, neue Waffen

Indien und Russland bauen mit Wladimir Putins Kurzbesuch in Neu-Delhi ihre militärische Kooperation weiter aus.
Bild: Indische Rambos vor einem Militärflugzeug aus russischer Produktion

Mumbai taz | Alte Liebe rostet nicht, wenn genügend militär- und energiepolitische Ziele im Vordergrund stehen. Unter diesem Motto stand der Kurzbesuch von Wladimir Putin in Indien am Montag. Noch bevor es zum Treffen mit Indiens Premier Narendra Modi in Delhi kam, trafen sich dort die Außen- und Verteidigungsminister beider Länder. Der Inder Rajnath Singh und sein Amtskollege General Sergei Schoigu präsentierten ein Abkommen über die gemeinsame Produktion von mehr als 600.000 AK-203-Sturmgewehren für Indiens Armee in Uttar Pradesh.

Dass sich ein Großteil des Treffens um Rüstung drehte, überrascht nicht. Russland ist einer der größten Waffenlieferanten Indiens. Im Vorfeld wurde schon von einem 5-Milliarden-Dollar-Geschäft berichtet: Indien hat Interesse am Raketenabwehrsystem S-400 Triumf, für das indisches Personal bereits ausgebildet worden sein soll, an leichten Panzern Sprut-SDM1 sowie an neuen Helikoptern und Kampfjets.

Indiens Interesse daran ist gewachsen, weil die [1][Spannungen] an seiner 3.500 Kilometer langen Grenze zu China in den letzten zwei Jahren massiv zugenommen haben.

Schon während des Kalten Krieges stand Indien der Sowjetunion nahe. Bei der Pressekonferenz von Modi und Putin wurde denn auch der indisch-sowjetische Freundschaftsvertrag von 1971 hervorgehoben, ebenso wie die Anerkennung des Prinzips der gegenseitigen Nichteinmischung in innere Angelegenheiten.

„Privilegierte strategische Partnerschaft“

Die beiden Politiker beriefen sich auf die alte Verbindungen, die von Indien als „besondere und privilegierte strategische Partnerschaft“ bezeichnet werden. „Russland hat eine ähnliche außenpolitische Philosophie und ähnliche Prioritäten wie Indien“, hatte Putin bereits im November mit Blick auf den Subkontinent erklärt. Auch jetzt betonte Putin die gemeinsamen Interessen.

So äußerte auch er sich besorgt über die [2][Entwicklungen in Afghanistan]. Das indisch-russische Treffen fand zugleich vor dem Hintergrund des außenpolitischen Spannungsfeldes zwischen China, USA und Pakistan statt. Russland pflegt seit den westlichen Sanktionen nach seiner Annektion der Krim engere Kontakte zu Indiens Rivalen China, der wiederum den indischen Erzfeind Pakistan unterstützt. Die USA ihrerseits üben Druck auf Delhi aus und drohten Indien schon in der Vergangenheit mit Sanktionen wegen dessen enger Kooperation mit Russland.

„Putin hat Russland seit zwei Jahren nicht mehr verlassen, außer zu einem Treffen mit Biden am 16. Juni in Genf. Putins Besuch in Neu-Delhi ist also von großer Bedeutung“, erklärt der indische Experte für strategische Angelegenheiten, Brahma Chellaney – auch wenn Putin jetzt nur knapp fünf Stunden in Indien gewesen ist. „Die indisch-russischen-Beziehungen sind stärker denn je“, meinte Indiens Premier Modi.

Es sei ungewöhnlich, dass neben dem Putin-Modi-Gespräch auch der erste „2+2-Dialog“ der Verteidigungs- und Außenminister sowie ein separates Treffen der Regierungskommissionen stattfindet, meinte Aleksei Zakharov vom indischen Think Tank Observer Research Foundation (ORF) in Delhi.

Für Putin ist der Indien-Besuch auch innenpolitisch wichtig

Zakharov sieht aber auch innenpolitische Motive Putins. Mit der Lieferung des Raketenabwehrsystems an Indien könne Putin „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und sowohl den USA als auch seiner eigenen Wählerschaft zeigen, wie erfolgreich Russland Sanktionen umgeht und ungeachtet äußeren Drucks Beziehungen zu wichtigen Partnern aufrechterhält“.

Nachdem bereits vor Putins Besuch die erweiterte militärische Zusammenarbeit öffentlich besiegelt wurde, hatten Modi und Putin mit der Afghanistan-Krise und dem Energiesektor (Öl, Gas und Atomenergie) noch genug Themen für ihre Diskussion unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

6 Dec 2021

LINKS

[1] /Grenze-zwischen-Indien-und-China/!5696129
[2] /Taliban-Sieg-in-Afghanistan/!5790010

AUTOREN

Natalie Mayroth

TAGS

Indien
Russland
Narendra Modi
Wladimir Putin
Rüstungsexporte
Indien
Indien
Indien
Narendra Modi
Indien
Wladimir Putin

ARTIKEL ZUM THEMA

Von der Leyen in Indien: EU und Indien auf Kooperationskurs

Die EU will die Handelsbeziehungen zu Indien stärken. Dabei geht es auch darum, das Land dem Einfluss Russlands zu entziehen.

Mindestalter für Ehen in Indien: Heiraten ab 21 Jahren?

Die hindunationalistische Regierung will für junge Frauen das Heiratsmindestalter anheben. Doch nicht alle finden das hilfreich.

Indische Menschenrechtsaktivistin: Auf Kaution frei

Die indische Anwältin Sudha Bharadwaj saß seit 2018 ohne Gerichtsverfahren im Gefängnis. Nun wurde sie freigelassen.

Ende der Agrarreform in Indien: Erleichtert ja, zufrieden nein

Indiens Parlament hat die neoliberale Agrarreform der Regierung von Narendra Modi zurückgenommen. Doch den Bauern ist das nicht genug.

Energiekrise in Indien: Kampf um die Kohle

In Indien herrscht Kohlemangel. Regierung, Bundesstaaten und Energiewirtschaft schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu.

Putins Strategiepapier: Vom Westen dauerhaft bedroht

Nicht zuletzt als Abgrenzung zum Westen hält Moskau am Vertrauten fest. Persönliche Freiheiten und Freizügigkeit stehen nicht auf Putins Agenda.