taz.de -- Omikron-Variante in Südafrika: Am Kap der schlechten Stimmung
Für viele in Südafrika ging es gerade wieder wirtschaftlich bergauf. Doch die nun entdeckte Coronavirus-Mutante sorgt für neue Verunsicherung.
Kapstadt taz | Das Wochenende in Kapstadt ist stürmisch und zu kühl für die frühsommerliche Jahreszeit. Auf allen Vorderseiten der Tageszeitungen stehen Meldungen zu Omikron, der neuen Coronavirus-Variante, die vor nur vier Tagen erstmals überhaupt gemeldet wurde. Inzwischen ist der von der Weltgesundheitsorganisation vergebene griechische Buchstabe in allen elf Landessprachen Südafrikas angekommen. So wie bei den Menschen im Township Gugulethu, östlich von Kapstadt, die meisten hier sprechen Xhosa – die Sprache mit den markanten Klicklauten.
„Hayi“, ruft Themba S., (55), der ein Kleinbusunternehmen mit vier Fahrzeugen leitet. „Das ist so schlecht!“ Mit der Hand zeigt er auf den Flughafen in der Nähe und dann in die Luft: „Sonst donnern hier alle paar Minuten die großen Flieger über uns hinweg. Jetzt ist Ruhe, kaum noch Flugverkehr.“
Seit vergangenem Juli ging es endlich wieder aufwärts. Seit der Aufhebung der strengen Coronaregeln hatte er sogar einen Vertrag mit zwei großen Hotels an der Waterfront, dem Edelviertel am Kapstädter Hafen, abgeschlossen: „Nicht nur den Transport von Touristen zum und vom Flughafen“, erklärt er, „auch zweimal am Tag Charterfahrten für Ausflüge in die Umgebung. Alles weg!“
Trotzdem gibt es geschäftiges Treiben in der Stadt: So wie an einer Bushaltestelle nahe der Schnellstraße N 2, die den Flughafen und das Zentrum Kapstadts verbindet. Eine ältere Frau mit drei Kindern lädt Kartons und Taschen auf das Dach eines Kleinbusses. Wohin soll es gehen?
Die südafrikanische Regierung reagiert erbost
„Ostkap“, sagt sie schwer atmend. „Da kommen wir her. Bald ist Weihnachten. Ich will zu unserer Familie, bevor Fahrten zwischen den Provinzen wieder verboten werden. Das war schlimm genug die letzten beiden Jahre. Mein alter Vater ist krank, er wartet, dass wir kommen.“
Ein Gesprächsthema zwischen vielen: Am Samstag hatte der Nationale Corona-Rat eine dringende Sitzung unter Präsident Cyril Ramaphosa abgehalten. Bis jetzt ist unklar, was dort beschlossen wurde. In den Nachrichten war nur zu hören, dass die Regierung erbost sei über die umgehende internationale Isolierung, nachdem sie die Öffentlichkeit informiert hatten.
Der junge Facharzt Dr. Lehlaba (30) sagt empört am Telefon: „So machen die das. Tun so, als ob das Virus eingesperrt werden kann. [1][Erkennen nicht an, dass es südafrikanische Fachleute waren, die das Virus zuerst erkannten]. Jetzt ist wieder Afrika an allem Schuld.“
Noch schlechter ist die Stimmung am Flughafen selbst. Nombeko P. (27) hat endlich ein Stipendium für ein Biologiestudium in London erhalten: „Die Uni hat den Platz schon ein Jahr lang für mich freigehalten. Wenn ich jetzt nicht vor Jahresende komme, muss sie ihn weitergeben.“ Ihr Flug war für diesen Sonntag gebucht und bezahlt, jetzt fällt er aus. Die Dame am Schalter von British Airways weiß auch keinen Rat: „Vorerst alles abgesagt. Flüge gehen noch mit Lufthansa nach Frankfurt, aber nur für Passagiere mit deutschem Pass.“
Zoff am Flughafen von Kapstadt
Nombeko ruft verzweifelt: „Das ist Apartheid! Ich habe einen negativen PCR-Test. Ich muss fliegen!“ Ein paar Meter weiter versuchen britische Tourist*innen, auf die niederländische Fluggesellschaft KLM umzubuchen. Aber auch hier herrscht Unklarheit.
Zurück im Township haben sich ein paar Männer in einem Shebeen, einer Bar, versammelt. Nicht alle sind nüchtern. Einer der Jüngeren ruft: „Noch einen Lockdown überleben wir nicht! Dann sterben wir an Hunger, bevor das Virus uns erwischt.“ Mehrere stimmen zu. Einer fügt hinzu: „Lockdown hier ist Elend und noch mehr Armut. Das kann sich nicht mal unsere ANC-Regierung wirklich vorstellen!“
Eine Fernsehansprache des Staatspräsidenten zur Lage wird zeitnah erwartet.
28 Nov 2021
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