taz.de -- Verbot von Coronaleugner-Demos: Kein Grund zur Freude
Das Verbot von Demos gegen die Coronamaßnahmen ist richtig. Bauchschmerzen aber bleiben: Schließlich offenbart dieser Schritt nichts Gutes.
Es besteht kein Anlass, sich über die [1][erneut ausgesprochenen Verbote von Demonstrationen] aus dem Milieu der Coronagegner befriedigt die Hände zu reiben. Jedes Demonstrationsverbot schmerzt, denn es ist ein Eingriff in die demokratischen Grundrechte. Die von den Organisatoren angerufenen Gerichte haben das Verbot weitgehend bestätigt, weil vorherige Aktionen ähnlicher Art auf jeglichen Infektionsschutz gepfiffen haben.
Dennoch machen diese Verbote Bauchschmerzen. Wissen wir, wer künftig – in fünf oder auch zehn Jahren – dieses Land regiert? Können wir uns über den Kurs der Justiz sicher sein? Der Schritt vom Verbot solcher Art Demonstrationen von [2][offensichtlich irrational geleiteten Verschwörungsmystikern] zum Untersagen linksradikal motivierter Veranstaltungen könnte kürzer sein, als wir es uns heute vorstellen können. Ein Verbot muss immer letztes Mittel sein.
Trotzdem ist das Verbot richtig. Im konkreten Fall verhindert es, dass sich die Covid-Inzidenzen noch weiter erhöhen. Davon wären eben nicht nur die Kundgebungsteilnehmer selbst betroffen, sondern auch gänzlich unbeteiligte Personen. In jüngerer Zeit hat es leider auch reichlich viele andere Veranstaltungen gegeben, bei denen Verbote ausgesprochen wurden oder am besten gleich verhängt worden wären – etwa bei Neonazis, die rassistische Parolen verbreiteten und Gewalt ausübten.
Nur freuen sollte man sich über solche Verbote niemals. Sie sind Anzeichen dafür, dass [3][relevante Teile der Bevölkerung den Grundkonsens der Demokratie nicht nur innerlich aufgekündigt] haben, sondern dazu bereit sind, dafür aktiv auf die Straße zu gehen. Wer vor der Berliner Charité Worte wie „Drosten raus“ brüllt, hat von der Freiheit der Wissenschaft nichts verstanden, stellt dafür aber unter Beweis, dass sein krudes Bild einer an finstere Mächte verkaufte Gesellschaft nicht zu erschüttern ist.
Und diese Vorstellungswelt erinnert verflucht an diejenigen, die vor einigen Jahrzehnten den Protokollen der Weisen von Zion Glauben schenkten und darauf ihren Hass auf Juden aufbauten.
29 Aug 2021
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Der „Zug der Liebe“ endete vorzeitig, weil Corona-Auflagen missachtet wurden. Damit wurde eine Chance vertan, für die Belange der Clubs zu werben.
Trotz Demoverbot waren am Samstag tausende Coronaleugner in der Hauptstadt unterwegs. Die Polizei setzte Pfefferspray ein, es gab dutzende Festnahmen.
Diejenigen, die sich heute den Kaiser zurückwünschen, hätten unter ihm nichts zu lachen gehabt. Das deutsche Reich war eine harte Klassengesellschaft.