taz.de -- Russisch-ukrainische Beziehungen: Die Feindin umarmen

Zwei Sportlerinnen umarmen sich für ein Foto und ernten Hass. Das ukrainisch-russische Verhältnis bleibt vergiftet, die Verhandlungen stocken.
Bild: Die Russin Maria Lassizkene und Jaroslawa Magutschich aus der Ukraine feiern nach dem Finale

Als sich zwei Medaillengewinnerinnen verfeindeter Staaten in [1][Tokio] gemeinsam fotografieren ließen, ja sich sogar umarmten, taten die Sportlerinnen dies im Geist einer jahrtausendealten Tradition. In Griechenland schwiegen die Waffen während der Olympischen Spiele.

Doch nun müssen sich die russische Goldmedaillengewinnerin Maria Lassizkene und die ukrainische Bronzemedaillengewinnerin Jaroslawa Magutschich für ihre Umarmung rechtfertigen. Die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Anna Maljar persönlich hat wissen lassen, dass sie die Sportlerin, die gleichzeitig Offizierin ist, wegen dieser Umarmung zum Rapport vorlade. Ukrainische Sportlerinnen müssten eigentlich wissen, dass es einen russisch-ukrainischen Krieg gibt, so die Ministerin. Auch die sozialen Medien sind voller Anklagen und Drohungen gegen die 19-jährige Magutschich.

Der Vorfall zeigt: Auch wenn in jüngster Zeit weniger Todesopfer des Krieges in der [2][Ostukraine] zu beklagen sind, bleibt die Atmosphäre vergiftet. 45 ukrainische Militärs starben in den letzten zwölf Monaten. Rein zahlenmäßig scheint es angesichts von über 13.000 Toten zwischen 2014 und 2021, als bewegte man sich auf eine Entspannung hin. Doch das Gegenteil ist der Fall. Immer mehr einflussreiche UkrainerInnen fordern, man solle ähnlich wie Aserbaidschan Gebiete mit militärischer Gewalt zurückholen. David Arachamia, Fraktionsvorsitzender der Regierungspartei „Diener des Volkes“, beklagt öffentlich, dass die Ukraine keine Atomwaffen habe. Seit Monaten stockt der Verhandlungsprozess.

Russland torpediert mit seiner Entscheidung, Bewohner des [3][Donbass] mit russischem Pass an den Wahlen zur Duma teilnehmen zu lassen, jegliche Verhandlungen. Und mit seiner Äußerung, Bewohner des Donbass, die sich als Russen fühlen, sollten besser nach Russland ziehen, gießt Präsident Selenski ebenfalls Öl ins Feuer.

Bleibt nur zu hoffen, dass sich noch weitere Maria Lassizkenes und Jaroslawa Magutschichs finden werden. Damit sich nicht die durchsetzen, die einen heißen Krieg wollen.

10 Aug 2021

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AUTOREN

Bernhard Clasen

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