taz.de -- Inhaftierter Kremlgegner: Nawalny tritt in Hungerstreik
Weil ihm ärztliche Hilfe verwehrt werde, ist der inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny in einen Hungerstreik getreten. Er leide an schweren Rückenschmerzen.
Pokrow dpa | Aus Protest gegen fehlende ärztliche Hilfe ist der im Straflager [1][inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny] in einen Hungerstreik getreten. „Ich habe den Hungerstreik erklärt mit der Forderung, das Gesetz einzuhalten und den eingeladenen Arzt zu mir zu lassen“, hieß es [2][in einer bei Instagram veröffentlichten Mitteilung] des 44-Jährigen. Nawalny leidet nach eigener Darstellung an schweren Rückenschmerzen, die in sein rechtes Bein ausstrahlen und dort zu Lähmungserscheinungen führen. Ärzte und seine Anwälte befürchten, dass er das Bein verlieren könnte. Nawalny ist in Pokrow rund 100 Kilometer östlich von Moskau im Gebiet Wladimir inhaftiert.
Die russische Allianz der Ärzte – eine unabhängige Gewerkschaft – hatte einen offenen Brief an den Strafvollzug geschrieben mit dem Appell, Nawalny rasch medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Der Strafvollzug sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, der prominente Gegner von Kremlchef Wladimir Putin werde gefoltert – durch die Verweigerung einer Behandlung und zusätzlich durch Schlafentzug.
„Ich liege nun hungrig, aber noch mit beiden Beinen“, sagte Nawalny. Er habe das Recht auf einen Arzt und auf Medikamente, doch erhalte weder das eine noch das andere. Der Hungerstreik sei das einzige Mittel des Kampfes für ihn. Auch im linken Bein habe er bereits stellenweise das Gefühl verloren. „Statt medizinischer Hilfe erhalte ich Folter durch Schlafentzug (sie wecken mich acht Mal pro Nacht) …“ Mitgefangene hätten ihn wissen lassen, dass das Leben eines Häftlings in dem Lager weniger wert sei als eine „Schachtel Zigaretten“.
Ein russisches Gericht hatte Nawalny, Russlands bekanntesten Oppositionspolitiker, im Februar zur Haft im Straflager verurteilt. Der Grund: Er soll während seines Aufenthalts in Deutschland, wo er sich von einem Mordanschlag mit dem Nervengift Nowitschok erholte, gegen Meldeauflagen bei russischen Behörden in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben. Die EU und die USA kritisieren das Vorgehen als politisch motiviert. Sie fordern Nawalnys Freilassung und haben gegen Russland unter anderem wegen des Attentats auf den Politiker Sanktionen verhängt.
31 Mar 2021
LINKS
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die „Stäbe Nawalnys“ geraten ins Visier der Moskauer Unterdrückung. Wer mit Putin nicht einverstanden ist, gilt als Extremist und riskiert Verfolgung.
Der Gesundheitszustand des inhaftierten Kremlkritikers verschlechtert sich zusehends. Wichtige Medikamente werden ihm vorenthalten.
Der russische Oppositionspolitiker Alexei Nawalny hat Schmerzen. Er simuliere, behauptet man im Straflager. Jetzt tritt er in den Hungerstreik.
In Russland ist Fernsehen eine Propagandamaschine des Regimes. Eine Ausnahme ist der Sender„TV Doschd“, der dem Druck des Kreml trotzt.
Eine Jury in Russland wollte dem Oppositionellen Alexei Nawalny einen Filmpreis verleihen. Nun gerät sie unter Druck und klagt über Zensur.
Der Kreml hat offenbar Angst. Die Protestbewegung hat längst ein Eigenleben entwickelt, die Wahlkampfstrategie der Opposition könnte erfolgreich sein.