taz.de -- Die Wahrheit: Die Blase dicht machen
Eine letzte Bemerkung zu Schauspielern, die sich an Satire versuchen. Und zu jenen Übercheckern, die überhaupt immer alles ganz genau wissen.
Länger als einen halben Tag hätte ich mich normalerweise nicht damit beschäftigt. Es lohnt die Aufregung nicht. Die Schauspieler von #allesdichtmachen sind keine „Querdenker“, und selbst wenn sie es wären, wären sie halt Querdenker, so wie andere, so what, don’t feed the troll.
Und dass sie oft nicht unbedingt die Allerhellsten sind, haben sie mit Schriftstellern, Fußballspielern und Politikern gemein, die ja trotzdem auch öffentlich ihre Meinung äußern. Im Fall der Schauspieler kommt allenfalls hinzu, dass berufsbedingte Deformierungen wie ein überhöhtes Aufmerksamkeitsbedürfnis das Urteilsvermögen zusätzlich vernebeln.
Selbstverständlich ist die Forderung beruflicher Sanktionen für die Beteiligten völlig fehl am Platz. Das haben zum Glück auch nur ein paar Trottel gefordert, denn dazu fehlt hier jeder einschlägige Bezug. Würden sie noch mal in leitender Funktion im Gesundheitsbereich tätig werden wollen, sollte man sie vielleicht noch einmal gründlich briefen, aber davon ist ja nicht die Rede. Kein Problem also, Schwamm drüber.
Was mir jedoch keine Ruhe lässt, sind die Provokationen der notorischen Überchecker. Sie sind die Einzigen, die auch die Metaebene schnallen. Sie wissen nicht nur, was die Schauspieler denken und wollen, obwohl sie dummerweise ganz was anderes sagen; sie wissen auch genau, was uns Kritiker an der Aktion bewegt: nämlich gar nichts, außer unserem altbekannten faschistoiden Mitläufertum. Sie wissen exakt, wie jeder Einzelne von uns tickt und was er denkt: nämlich ebenfalls nichts, und schon gar nicht eigenständig. Wo sie ein Hirn und ein Herz haben, herrscht bei uns nur Leere, Angst und Autoritätshörigkeit.
Wir schreien nur
Zwar habe ich mir, oft im Gegensatz zu ihnen, auf meiner vergeblichen Suche nach jenen sagenhaften zehn Gerechten, die angeblich so voll den Punkt treffen, tatsächlich unter Schmerzen durch den allergrößten Teil der Beiträge gekämpft, trotzdem kann ich offensichtlich nicht beurteilen, was ich sehe, was ich höre und was ich davon halte.
Wenn ich individuell denken könnte, hätte ich schließlich nicht so eine negative Meinung, aber ich habe ja im Grunde auch gar keine Meinung, sondern bete nur blind die Meinung der anderen nach, die selbst wiederum keine Meinung haben. Ihre, meine, mihre Meinung ist vorgefasst, ich blubbere nur das blöde Lied meiner Blase nach, ich bin ein Steiniger, Mitglied eines hirnlosen Lynchmobs, ein Nazi, ein Verfechter der Unfreiheit, ein Duckmäuser.
Wir haben einfach nicht den lässigen Groove der Durchblicker und Partisanen. Wir schreien nur, weil andere schreien und wir uns im Schutz der tumben Masse stark und sicher fühlen. Wir sind auch alle gleich, braune Scheißeteilchen in einem gewaltigen Shitstorm der Jasager, Feiglinge und willenlosen Abnicker sämtlicher Maßnahmen. Gegen die man ja im Einzelnen durchaus einiges hätte anbringen können. Ja, schade, hätte man das mal getan.
27 Apr 2021
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Die Seuche hat etwas Neues hervorgebracht: Die Verantwortlichen wirken wie kleine Kätzchen, die sich im Baum der Nichterkenntnis verstiegen haben.
Erschreckende Impfreaktionen werden momentan der Öffentlichkeit verschwiegen. Ein aufrüttelnder Report über die Folgen der Vakzine.
Es bleiben nur ganze 24 Stunden. Also: Carpe diem! Echte Erinnerungen einer Eintagsfliege von arg einfacher Herkunft und überaus viel Natur.
Volker Bruch, Mitinitiator von #allesdichtmachen, hat einen Mitgliedsantrag für „Die Basis“ gestellt. Der Partei eilt ein zweifelhafter Ruf voraus.
Das Politische der Pandemie ist zu strikt in richtig und falsch geteilt. In diesem „Wir gegen die“ wird der Raum für Zweifel knapp.
In der digitalen Folterkammer des Humors: Zu Besuch bei einem Großmeister der Niedertracht und Spezialisten für Emojis.
Streaming gucken bis das gelangweilte Hirn rauscht. Über die momentan beliebteste verrückte Art der Pandemieüberwindung.
Sobald das Vakzin erst im Blut ist, sind die Glücklichen schön, gottgleich, erhaben und gewähren allen anderen, ein Zipfelchen des Glücks zu berühren.