taz.de -- Schülersprecher über Präsenzunterricht: „Ins kalte Wasser geworfen“

Präsenzunterricht, den viele nicht wollen: Landesschülersprecher Richard Gamp sieht die Senatsbildungsverwaltung in der Verantwortung.
Bild: Leer, aber sicher: Stühle ohne Schüler

taz: Herr Gamp, was hat Ihre Umfrage ergeben?

Richard Gamp: An unserer gestrigen Umfrage haben sich knapp 12.000 Schülerinnen und Schüler beteiligt. Von ihnen haben 69 Prozent geäußert, dass sie unzufrieden damit sind, wie die Bildungsverwaltung in der aktuellen Situation agiert. 60 Prozent haben sich dafür ausgesprochen, am Homeschooling festzuhalten, bis die Corona-Infektionen deutlich zurückgegangen sind.

40 Prozent für Präsenzunterricht sind jetzt aber auch nicht ganz wenig, oder?

Ich kann durchaus verstehen, dass viele in den Abschlussklassen den Präsenzunterricht wollen. Da schlagen zwei Herzen in unserer Brust, denn Homeschooling ist sicher nicht die beste Möglichkeit, sich auf den Schulabschluss vorzubereiten. Und wenn Sie berücksichtigen, dass jedes dritte Berliner Kind in Armut lebt, ist nachvollziehbar, dass viele von ihnen in der Schule bessere Lernmöglichkeiten erwarten als zuhause.

Hatten die Schulleitungen und LehrerInnen nicht die Möglichkeit, einen sicheren Präsenzunterricht zu organisieren?

Nein, dafür gab es gar nicht die Zeit. Sie können so etwas nicht von Donnerstag bis Montag vorbereiten, so etwas braucht zwei bis drei Wochen Vorlauf. Die Schulen wurden da mal wieder ins kalte Wasser geworfen. Insgesamt ist die Kommunikation einfach furchtbar schlecht. Uns rufen zurzeit jeden Tag Dutzende Schüler an, die einfach nicht wissen, wie es jetzt weitergeht. Wir nehmen da die Senatsverwaltung in die Pflicht, nicht die Schulen.

Sind Sie im Gespräch mit LehrerInnen und Schulleitungen?

Wir sind in engen Gesprächen nicht nur mit dem Landeselternausschus, sondern auch mit dem Landesausschuss des pädagogischen Personals. Und da sehen wir: In fast allen Bezirken gibt es Widerstand gegen die vom Senat beschlossenen Maßnahmen.

Wie reagieren die LehrerInnen an Ihrer eigenen Schule auf die Situation?

Ich sehe bei den Lehrerinnen und Lehrern eine extreme Unsicherheit. Viele sagen: Das, was der Senat will, ist so praktisch nicht machbar. Gerade weiß eigentlich niemand, wie es weitergehen soll.“

8 Jan 2021

AUTOREN

Claudius Prößer

TAGS

Sandra Scheeres
Schwerpunkt Coronavirus
Homeschooling
Schule
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Sandra Scheeres
Sandra Scheeres
Sandra Scheeres

ARTIKEL ZUM THEMA

Chaos bei den Schulöffnungen in Berlin: Ohne Rückhalt geht es nicht

Die Schulen öffnen doch nicht am Montag. Die Bildungssenatorin sagt, es gebe keinen Konsens dafür – dabei hat der sie selbst bisher kaum interessiert.

Lockdown-Verschärfung in Berlin: Scheeres lenkt bei Schulöffnung ein

In der Debatte um Schulöffnungen rudert die Schulsenatorin nach heftiger Kritik zurück: Die Schulen bleiben zu. Lockdown-Verschärfung in Kraft.

Geplante Schulöffnungen in Berlin: Eine Debatte wie aus dem Lehrbuch

Berlin öffnet ab Montag schrittweise die Schulen. Das wird viel kritisiert. Ergänzt wird die Debatte um die Frage: Wie umgehen mit den Kitas?

Schulen in der Pandemie: Es gibt mehr als Schwarz und Weiß

Berlin hat die meisten Schulen im Herbst ziemlich gut durch die Pandemie gebracht. Auf diese Erfahrungen kann jetzt aufgebaut werden.

Diskussion um Kita- und Schulöffnungen: Happy Homeschooling!

Vor dem Bund-Länder-Gipfel formiert sich ein breiter Konsens für einen verlängerten Kita- und Schullockdown. Digitaler Lernraum Berlin macht Probleme.