taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Ein Leben lang Antifa

Emika und Paul Frick veröffentlichen zusammen ein minimalistisches Album, während Synth-Pop-Queen Molly Nilsson eine alte Single neu auflegt.
Bild: Die britische Produzentin Emika mag vor allem einen Stil: Dubstep

Gibt es pandemietaugliche und -untaugliche Musik? Wenn ja, so gehört das neue Kollaborationsalbum von Emika und Paul Frick („In Parallel“) klar in erstere Kategorie. Die britische Produzentin Emika wird seit Jahren für ihren unkonventionellen Clubsound geschätzt (und hat auch ein tolles Chris-Isaak-Coverstück eingespielt). Komponist und Pianist Frick kennt man wiederum von dem Experimental-Trio Brandt Brauer Frick und als aktuelles Mitglied von Tangerine Dream. Die beiden haben bereits 2011 eine gemeinsame House-EP veröffentlicht.

Nun aber sind zunächst fast klassische Minimal-Music-Stücke zu hören; Emika hat für das Album mit Synthesizern gearbeitet, herausgekommen sind meist repetitive Klangstrukturen, die sie Frick zugeschickt hat. Der hat behutsam Pianopassagen hinzugefügt und elektronisch erzeugte Glockenspielklänge darübergelegt. In diesen ruhigen ersten vier Tracks kann man sich wunderbar verlieren, sie sind wie gemacht für musikalische Achtsamkeitsübungen auf dem Sofa.

Es folgen vier Re-Works des Drummers CNCPT – wo die Stücke zuvor noch ambientig klangen, kommt nun der Beat dazu. Jetzt könnte man sich die Tracks auch gut im Club vorstellen – falls man sich noch erinnern kann, wie das war, damals auf dem Dancefloor. „In Parallel“ erscheint übrigens bei Emikas jüngst gegründetem Label [1][Improvisations X Inspirations].

Wie schön dieser Tage doch klare Worte wie diese sind: „Falls es jemanden interessiert: Ich unterstütze die Antifa schon mein Leben lang. Wie so viele hat es auch mich entsetzt, was wir in D.C. gesehen haben […]. Als Reaktion darauf haben Night School Records und Dark Skies Association beschlossen, meine Single ‚Hey Moon‘ aus dem Jahr 2008 als 7-Inch zu veröffentlichen, wobei alle Erlöse an Black Lives Matter gehen.“ Geschrieben hat diese Sätze die in Berlin lebende Synth-Pop-Queen [2][Molly Nilsson].

Und wer ihre schön mäandernde Ballade „Hey Moon“ noch nicht sein eigen nennt, der sollte flugs zugreifen und weiß, dass sein Geld in guten Händen ist.

16 Jan 2021

LINKS

[1] https://impxins.bandcamp.com/
[2] https://mollynilsson.bandcamp.com/

AUTOREN

Jens Uthoff

TAGS

taz Plan
Kolumne Berlinmusik
Dubstep
Minimal Music
Hamburg
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan
taz Plan

ARTIKEL ZUM THEMA

Debüt von Poptalent Zoe Wees: Die Qual mit der Angst

Alarm auf Tiktok, Youtube und Instagram: Die Hamburger Künstlerin Zoe Wees veröffentlicht ihr balladeskes Debüt „Golden Wings“.

Neue Musik aus Berlin: Die letzte Station

Eine Aufnahme von Beethovens „Variationen“ ist das Abschiedsgeschenk der Pianistin Angela Hewitt an ihren Fazioli-Flügel.

Neue Musik aus Berlin: Nach Kalifornien hier entlang

CV Vision klingt auf seinem Solo-Debütalbum „Tropical“, als ob er an einem kalifornischen Strand Surfmusik mit Krautrock mischt.

Neue Musik aus Berlin: Leere Wohnungen beschallen

Die italienische Cellistin Martina Bertoni legt auf ihrem Album „Music for Empty Flats“ elektronische Schichten über die Klänge ihres Instruments.

Klassik made in Berlin: Transparente Akustik

Das Jerusalem Quartet legt ein Album mit Streichquartetten Béla Bartóks vor – aufgenommen im legendären Teldex Studio in Lichterfelde.

Postpunk und Wave aus Berlin: Phantomschmerz im Tanzbein

Der neue Sampler vom Kassetten-Label Kollektiv Flennen bietet richtig gutes Zeug – die Erlöse gehen an Opfer rassistischer Polizeigewalt.

Hallelujah mit Händel: Erlösung, zumindest in der Musik

So kompakt wie energisch: Mit Chefdirigent Justin Doyle hat der RIAS Kammerchor Georg Friedrich Händels Oratorium „Messiah“ eingespielt.