taz.de -- Seid verschlungen, Milliarden: Gegen Corona hilft Geld verbrennen

Plötzlich gibt es unbegrenzt Steuergeld als Heilmittel gegen die Krise. Zukunftsfähig? Egal. Man könnte auch Dampfloks oder Kohleöfen finanzieren.
Bild: Nur bedrucktes Papier...

Berlin taz | Hast du mal 5 Euro für mich?“, fragt unser Sohn, „ich muss die Physiotherapie bezahlen.“ Ich stehe in der Küche, habe die Hände voller Teig und sage: „Klar, da liegt meine Brieftasche. Nimm dir ein paar Millionen.“

Das ist natürlich selbst für einen taz-Redakteur eine Menge Geld. Woher kommt diese ungewohnte väterliche Großzügigkeit? Es ist der Tag nach dem neuesten „Autogipfel“ im Kanzleramt, mir sind alle Maßstäbe verrutscht.

Gerade hat die Regierung der Autoindustrie noch einmal 3 Milliarden Euro Steuergeld geschenkt für das Verschrotten von alten Lkws, für Plug-in-Hybride, die kaum elektrisch fahren, und für E-Lädesäulen, die die Industrie mal schön selbst zahlen könnte.

Um uns herum brennen gerade endgültig alle finanzpolitischen Sicherungen durch. Die Forderung nach Staatsknete muss nur a) irgendwas mit Corona zu tun haben, b) irgendwie Arbeitsplätze sichern und c) möglichst zukunfts-unfähig sein.

Geld für Flughäfen – und für Pferdekutschen?

Deshalb gibt es neben Kaufprämien für E-Autos auch Sterbehilfe für die Verbrenner. Deshalb retten wir mit 9 Milliarden die Lufthansa ohne irgendwelche grünen Auflagen und subventionieren auch weiter unsinnige und unrentable Regionalflughäfen. Und 500 Millionen für die Waldbesitzer haben wir auch noch in der Kasse.

Die rund 50 Milliarden umweltschädlichen Subventionen, die wir uns jedes Jahr im Bundeshaushalt so leisten, tasten wir dagegen nicht an. Obwohl mit ihnen billiger Strom, Kerosin, Diesel und Fleisch lustig alle unsere Öko-Ziele ad absurdum führen.

Jahrelang haben wir über schwarze Null und sparsame Haushaltsführung geschimpft, jetzt sind wir am Ziel. Wenn wir also in der Pandemie verzweifelt nach Wegen suchen, anhand der Kriterien a, b und c Geld rauszuwerfen, sind hier ein paar Ideen:

Für geschätzte 476 Millionen könnten wir Bau und Einsatz von Dampflokomotiven im Güterverkehr voranbringen; wir könnten mit einem Förderprogramm des Bundes (2 Milliarden) wieder gemütliche Kohleöfen in Altbauten installieren; für 167 Millionen ließe sich erforschen, ob nicht stationäre Bakelit-Telefone mit Wählscheibe den Smartphones überlegen sind.

Reeder und Werften bekommen 1,4 Milliarden für ein Forschungsprojekt, um Kreuzfahrtpötte zu Segelschiffen mit Work-out-Ruderantrieb umzurüsten; wenn die Post und DHL ihre Lieferungen auf Pferdekutschen umstellen (832 Millionen), würde der Onlinehandel wirklich klimaneutral; und ein 500-Millionen-Programm könnte deutsche Schrebergärten mit gasbefeuerten Gewächshäusern für den Cannabis-Anbau versehen.

Ohnehin sollten wir uns vom Fetisch Geld lösen. Das sind doch alles nur Zahlen im Computer oder bedrucktes Papier. Wenn wir die Scheine direkt verbrennen, wärmt das und ist auch noch CO2-neutral. In der EU sind 23 Milliarden Euro-Scheine unterwegs. Damit sollten wir über den Coronawinter kommen.

19 Nov 2020

AUTOREN

Bernhard Pötter

TAGS

Wir retten die Welt
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Coronavirus
Finanzen
Schwerpunkt Coronavirus
Haushalt
Verkehrswende
Autoindustrie
Schwerpunkt Klimawandel
Wald
Schwerpunkt Coronavirus

ARTIKEL ZUM THEMA

Klimapläne der deutschen Luftfahrt: Ein bisschen Demut, bitte!

Die Luftfahrtbranche liegt am Boden. Und will jetzt mehr aufs Klima achten. Nur der Staat soll bitte keine Vorgaben machen. Doch so geht das nicht.

Nächtliche Beratung zum Bundeshaushalt: Milliarden gegen die Pandemie

In einer Marathonsitzung beschließt der Haushaltsausschuss den neuen Bundesetat. 180 Milliarden Euro neue Schulden sind eingeplant.

Ergebnisse des Autogipfels: Geld für die Falschen

Beim Autogipfel zwischen der Branche und der Politik blieb die Weichenstellung falsch. Die Anreize für umweltschonende Technik reichen nicht.

Kaufanreize für Elektroautos: Drei Milliarden für die Autobranche

Die Bundesregierung stützt die angeschlagene Autobranche in der Corona- und Klimakrise mit weiteren Milliarden. So soll ihr beim Wandel geholfen werden.

Emissionen der G20-Staaten: Klima-Fortschritte auf der Kippe

Die G20-Staaten sind bei der Verringerung der Emission von Treibhausgasen 2019 vorangekommen. Das könnte sich bald wieder erledigt haben.

Flächenprämie für Waldbesitzer: 500 Millionen für die Waldbesitzer

Das Agrarministerium kann Coronahilfen auszahlen. Die Umweltverbände kritisieren die Vergabekriterien als zu wenig ambitioniert.

Coronahilfe für Busunternehmen floppt: Gut gemeint, nicht gut gemacht

Das Notbudget für die Busbranche konnte bislang nicht voll ausgeschöpft werden. Dabei leidet diese besonders stark unter den Beschränkungen.