taz.de -- Eilklage gegen Corona-Lockdown scheitert: Gaststätten in Berlin bleiben zu

Gastronom:innen sind mit Klagen gegen die Corona-Verordnung gescheitert. Laut Gericht ist nicht auszuschließen, dass sie Treiber der Pandemie sind.
Bild: Nix los am Gendarmenmarkt: Kneipen, Restaurants und Cafés dürfen derzeit nur außer Haus verkaufen

Berlin taz | Der Lockdown für Gaststätten in Berlin bleibt: Das Verwaltungsgericht Berlin wies am Dienstag eine Eilklage gegen die vom Senat erlassenen Einschränkungen zwischen dem 2. und 30. November ab. Restaurants, Cafés und sonstige Lokale müssen also für Gäste vorerst geschlossen bleiben. Derzeit dürfen Speisen und Getränke nur außer Haus verkauft werden.

22 Gastwirt:innen hatten gegen die „SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung des Landes Berlin“ geklagt. Sie hatten argumentiert, dass Gaststätten aufgrund eingeführter Hygienepläne keine „Treiber der Pandemie“ seien. Mit einer ähnlichen Argumentation war eine Klage vor knapp vier Wochen gegen die vom Senat erlassene [1][Sperrstunde] noch erfolgreich.

Die aktuelle Klage jedoch scheiterte vor dem Verwaltungsgericht: Es sei nicht davon auszugehen, dass das Verbot rechtswidrig sei, begründet das Gericht die Entscheidung. Weiter heißt es in einer Dienstagvormittag veröffentlichten [2][Pressemitteilung], die Verordnung beruhe auf einer verfassungskonformen Rechtsgrundlage und verstoße weder gegen den Parlamentsvorbehalt noch gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Verordnungsermächtigungen. „Das Verbot dient dem legitimen Ziel der Bekämpfung der Krankheit COVID-19, die sich insbesondere in Berlin in kürzester Zeit dramatisch verbreitet habe“, wird die Erklärung der 4. Kammer des Gerichts zitiert.

Drei der klagenden Selbständigen betrieben Gaststätten in Neukölln – „hier liege die Inzidenz mit 332 Fällen pro 100.000 Einwohnern bundesweit sogar an erster Stelle“, wie es in der Mitteilung heißt. Selbst wenn das Robert-Koch-Institut viele Ansteckungen auf den privaten Bereich zurückführe, ließen sich drei Viertel der Infektionen nicht auf eine bestimmte Quelle zurückführen.

Zur Bekämpfung der Pandemie geeignet

Insofern sei nicht auszuschließen, dass es häufig zu Ansteckungen in Gaststätten kommen könne: „Die Aussage, Gaststätten trügen nicht wesentlich zur Verbreitung der Pandemie bei, sei nicht haltbar“, heißt es. Das Verbot sei als Maßnahme eines Gesamtpakets zur Bekämpfung der Pandemie geeignet.

Darüber hinaus ist es nach Auffassung des Gerichts mit einem Hygieneplan nicht getan: Gastronomie sei geprägt von Geselligkeit, Kommunikation und dem Knüpfen von neuen Kontakten. Weil Gäste dort keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssten, greife zudem nicht der Gleichheitsgrundsatz mit weiterhin geöffneten Betrieben und Einrichtungen. Die Kläger hatten als Beispiel etwa [3][Friseurläden] genannt, die weiterhin öffnen dürfen. Nicht zuletzt sei ein de-facto Berufsverbot auch deshalb zu rechtfertigen, weil es finanzielle Entschädigungen geben soll.

Gegen den neuen Beschluss können die Kläger:innen Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen. Der Anwalt der Gastronom:innen Niko Härting sagte der Nachrichtenagentur dpa zum Urteil: „Wir werden uns das in Ruhe ansehen und überlegen, ob wir Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht einlegen.“ Insgesamt sind gegen die Verordnung 100 Eilanträge eingegangen, knapp 80 stammen von Gastronom:innen.

10 Nov 2020

LINKS

[1] /Klagen-gegen-Coronamassnahmen/!5721651
[2] https://www.berlin.de/gerichte/verwaltungsgericht/presse/pressemitteilungen/2020/pressemitteilung.1015792.php
[3] https://www.rbb24.de/wirtschaft/thema/2020/coronavirus/beitraege_neu/2020/11/eilantraege-gastronomie-verwaltungsgericht-berlin-schliessung-ueberlastet.html

AUTOREN

Gareth Joswig

TAGS

Schwerpunkt Coronavirus
Gastronomie
Lockdown
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus

ARTIKEL ZUM THEMA

Studie zu Corona in der Gastronomie: Risikoort Restaurant

Eine US-Studie zeigt, dass Restaurants ein erhebliches Ansteckungsrisiko bergen könnten. Ärmere sind beim Einkaufen besonders gefährdet.

Migrationspolitik in Deutschland: Mit Schutzmaske abschieben

Die Bundesregierung plant erneut Abschiebungen nach Afghanistan – trotz steigender Coronazahlen und defizitärem Gesundheitssystem.

Aktuelle Entwicklungen in der Coronakrise: Impfstoff-Vertrag ist ausgehandelt

Die Verhandlungen mit der Firma Biontech über den Impfstoff sind abgeschlossen. In Deutschland wurden 15.332 Neuinfektionen gemeldet.

Verteilung von Corona-Impfstoff: Wer als Erstes geimpft werden soll

Menschen mit „signifikant erhöhtem Risiko“ sollen den Vortritt bekommen. Die Impfkommission entscheidet außerdem über wichtige Berufsgruppen.