taz.de -- EU-Schienengipfel in Berlin: Der Schaumschläger
Der Ausbau des deutschen und des europäischen Bahnverkehrs ist überfällig. Verkehrsminister Scheuer behauptet das auch, tut aber zu wenig.
Das ist mal wieder ein typischer Coup von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Er stilisiert das Arbeitstreffen mit seinen europäischen KollegInnen zum „EU-Schienengipfel“ hoch und sorgt mit großem Tamtam für viel Presse. Vollmundig kündigt er die Wiederkehr eines europäischen Schnellzugs namens EuropExpresstrain (TEE) an, der künftig ohne Umsteigen Metropolen verbinden soll. Es wäre tatsächlich toll, wenn das käme. Nur: Dass ausgerechnet [1][der Auto- und Flugminister Scheuer] den europäischen Bahnverkehr wirklich voranbringt, wer soll das glauben?
Der Minister lässt keine Gelegenheit aus, um sich mit prestigeträchtigen Projekten zu schmücken. Bei Lichte besehen bleibt davon nicht viel übrig. Den angekündigten Deutschlandtakt, einen bundesweit abgestimmten Bahnfahrplan mit kurzen Umsteigezeiten und guten Anschlüssen, wird es in absehbarer Zeit nur in klitzekleinen Ansätzen geben. Scheuer jazzt das hoch zu einem bald beginnenden bundesweiten Neuanfang. Das ist die Simulation von Politik, nicht politische Gestaltung.
Die [2][Methode Scheuer] ist umso bedauerlicher, weil der Ausbau des deutschen und des europäischen Bahnverkehrs überfällig ist. Die Klimakrise erfordert die Abkehr vom Flugverkehr. Deutschlands Nachbarn haben das verstanden. Die Schweiz und Österreich geben pro Kopf sehr viel mehr Geld aus für Erhalt und Ausbau der Schienen. Dort sowie in skandinavischen Ländern und anderen Staaten wird über den Ausbau von Nacht- und Schlafwagenzügen nicht nur gesprochen. Solche Verbindungen werden dort ausgebaut und neu geschaffen, viele davon gehen glücklicherweise durch Deutschland.
Die Deutsche Bahn dagegen verweigert sich diesem Geschäftsfeld. Sie hat keine Schlaf- und Liegewagen mehr im Angebot – ohne die ist ein echter europäischer Bahnverkehr als Alternative zum Fliegen aber nicht denkbar. [3][Scheuer lässt die Deutsche Bahn einfach machen], statt sie in die richtige Richtung zu treiben. Solange das so bleibt, wirken seine Auftritte wie der beim EU-Schienengipfel nur wie Schaumschlägerei.
22 Sep 2020
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Acht Bahnverbände stellen Forderungen an die nächste Bundesregierung. Unter anderem solle der Aus- und Neubau der Schiene Vorrang haben.
Die Aussichten bei den Schlichtungsverhandlungen zwischen Lokführer-Gewerkschaft und Bahn sind schlecht. Die Positionen liegen weit auseinander.
Verkehrsminister Scheuer gilt selbst in seiner Partei als Problem – bislang allerdings ohne Konsequenzen. Das könnte sich bald ändern.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer muss sich rechtfertigen: Hat er gelogen? Und wenn ja, wo und warum?
Vor fünf Jahren kam der Dieselbetrug des Autobauers heraus, Kontrollen gibt es bis heute nicht. Immerhin wurde so die Verkehrswende angeschoben.
Die Deutsche Bahn verzeichnet die größten Verluste in ihrer Geschichte. Das liegt nicht nur an der Coronakrise, sondern auch an den Fehlern der Vergangenheit.
Die Coronakrise setzt der Bahnbranche schwer zu. Als Pendant zum Autogipfel wollen Politiker im Juni über die Lage konferieren.