taz.de -- Einschüchterung von Umweltschützern: Südtirol hält an Klage fest
Bauern und ein Landrat werfen dem Münchner Umweltinstitut weiter üble Nachrede vor. Das bleibt bei der Kritik am Pestizideinsatz im Obstbau.
Rom taz | Der Südtiroler Landesrat für Landwirtschaft, Arnold Schuler, macht es spannend. Am Montag hatte er angekündigt, er werde [1][seine Anzeige] gegen Karl Bär vom Umweltinstitut München und gegen den Buchautor Alexander Schiebel zurückziehen, doch beim ersten Prozesstermin am Dienstag war davon keine Rede mehr.
Den beiden Pestizidkritikern hatte Schuler üble Nachrede vorgeworfen, weil sie [2][in einer Kampagne] den in ihren Augen übermäßigen [3][Einsatz von Pflanzenschutzmitteln] auf den Apfelplantagen und den Weinhängen Südtirols angeprangert hatten. Schuler dagegen glaubt, in Südtirol sei die Welt in Ordnung. Wer von „Pestizidtirol“ rede, vergehe sich am guten Ruf seiner Bauern und der ganzen Region. Am Dienstag war der erste Prozesstermin gegen Bär angesetzt – und Schuler schien bereit, zurückzurudern.
Das wäre keine Überraschung. Schließlich konnten das Umweltinstitut, der Autor Schiebel und der Oekom-Verlag auf breite öffentliche Unterstützung zählen. 200.000 Menschen hatten den Appell zur Einstellung des Prozesses unterschrieben. Am Dienstag erschienen in den italienischen Tageszeitungen La Repubblica und La Stampa ganzseitige Anzeigen, geschaltet von Umweltverbänden aus 18 Ländern – unter ihnen Greenpeace, WWF, die Deutsche Umwelthilfe, Robin Wood oder Attac –, die unter dem Titel „Die Pestizide vergiften die Meinungsfreiheit“ den „Einschüchterungsversuch“ der Provinz Bozen anprangern und die Rücknahme der Anzeigen fordern.
Doch statt wie angekündigt die Anzeige zurückzuziehen, ließ Landesrat Schuler sich beim Prozessauftakt zusätzlich auch als Nebenkläger registrieren. Das Verfahren nimmt so oder so seinen Lauf. Denn selbst wenn Schuler den Rückzug antreten sollte, wären die beiden Verfahren noch nicht erledigt. Denn außer ihm haben mehr als 1.300 Landwirte Anzeige erstattet. Außerdem müssen sich Bär und Schiebel gegen den Vorwurf der Markenrechtsverletzung verteidigen, weil in der Anti-Pestizid-Kampagne ein verfremdetes Südtirol-Logo zum Einsatz kam; diese Klage kann jedoch nur die Staatsanwaltschaft selbst niederschlagen, da es sich hier um ein Offizialdelikt handelt.
15 Sep 2020
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Nach dem gewonnenem Prozess gegen die Landesregierung Südtirols will Pestizidprotestler Karl Bär neue Daten veröffentlichen.
Wenn Bauern Felder spritzen, können Spuren der Pflanzenschutzmittel auch noch weit entfernt gefunden werden. UBA besorgt über neue Studie.
Eine Region in Norditalien zieht wegen „übler Nachrede“ gegen konventionellen Apfelanbau vor Gericht. Kritiker sollen offenbar mundtot gemacht werden.
Wie kann die Versorgung mit regionalem Obst und Gemüse besser werden? Bauer Horst Siegeris traf Berlins Senator Dirk Behrendt auf dem Wochenmarkt.
Als der kleine Ort Mals in Südtirol Pestizide auf seinem Gelände stoppen wollte, sorgte das für Aufruhr. Doch nun verbot ein Gericht das Verbot.