taz.de -- Sommerinterviews mit der AfD: Fatales Geplauder

Auch der NDR gibt AfD-Politikern in Sommerinterviews die Gelegenheit, sich zu inszenieren. Eine Diskussion darüber findet bislang nicht statt.
Bild: Mag keine Ausgaben für Integrationsmaßnahmen: AfD-Fraktionsvorsitzender Jörg Nobis

Die Sommerinterviews mit den Spitzenpolitiker*innen laufen auch im Norden. In den öffentlich-rechtlichen Sendern werden dabei auch die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden der AfD interviewt. In unterschiedlichen Settings bekommen die Politiker*innen so Gelegenheit, sich vor- und ihre Positionen darzustellen – etwas ruhiger, etwas privater. Die bisher gesendeten Interviews des NDR treiben dabei die Normalisierung der AfD weiter mit voran.

Anders als bei den Interviews des RBB und des MDR mit Andreas Kalbitz und Björn Höcke, die das Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextrem einstuft, gab es um die Gespräche des NDR keine Diskussion. Am vergangenen Dienstag führte das „Schleswig-Holstein Magazin“ ein Interview mit dem AfD-Landtagsfraktionsvorsitzenden in Kiel, Jörg Nobis. Am Ende der knapp fünf Minuten bedankt sich Nobis freundlich: „Ich habe zu danken!“ Denn aus einem kritischen Gespräch ist ein nettes Geplauder geworden.

Schon der Einstieg ins Gespräch gab den Ton an. Nobis fühle sich „als Kapitän und Nautiker“ am Wasser wohl. Im Museumshafen und im Landtagsbüro konnte er dann ohne viel Widerspruch seine Partei darstellen als eine, die sich um die sogenannten einfachen Leute kümmere und die „Prestigeprojekte der Grünen“ hinterfrage.

Bei einer Nachfrage zur Flüchtlingspolitik kann er behaupten, dass das Land in den vergangenen Jahren zwei Milliarden Euro für Geflüchtete und Integrationsmaßnahmen ausgegeben habe. Nachgehakt wird nicht. Als Nobis auf den Rauswurf der ehemaligen Landesvorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein wegen rechtsextremer Verbindungen angesprochen wird, führt er aus, dass ihr Rückhalt in der Partei gesunken sei. Ganz so, als sei der Richtungsstreit geklärt.

Unwidersprochene Behauptungen

Im nüchternen Ambiente eines Studios interviewte das „Hamburg Journal“ bereits am 10. August den Bürgerschaftsfraktionsvorsitzenden Alexander Wolf. Deutlich im Mittelpunkt des Gesprächs stand die Bewertung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie. Maß und Mitte müssten gehalten werden, um die Wirtschaft nicht weiter zu belasten, sagte der Alte Herr einer rechtsextremen Burschenschaft immer wieder. Im eingespielten Kurzporträt wird diese Mitgliedschaft zwar erwähnt, nicht aber, dass Wolf auch ein Liederbuch mit NS-Liedern herausgegeben hat.

Auf die Konflikte der AfD mit dem Flügel und auf die Causa Kalbitz angesprochen, kann Wolf behaupten, dass nicht der gesamte Flügel rechtsextrem sei und der Innensenator und Verfassungsschutzchef an der Elbe dessen Bedeutung aufbausche. Ebenfalls kann er im rund zehnminütigen Interview behaupten, dass die AfD immer schon „rote Linien“ nach Rechtsaußen gezogen habe. Die Coronaskeptiker*innen darf er auch in Schutz nehmen, weil sie wegen der Nichteinhaltung von Maßnahmen kritisiert würden. Bei Black-Lives-Matter-Demos sei dieser Vorwurf nicht erhoben worden.

Nach diesen Fernsehgesprächen kann der Eindruck aufkommen, die Aufregung um die AfD sei geradezu grundlos. So bietet das Format den AfDler*innen die Möglichkeit, ihre Narrative als etwas ganz Normales zu präsentieren. Ein fatales Ergebnis.

27 Aug 2020

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Andreas Speit

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