taz.de -- Kampf gegen Corona in Deutschland: Zweifel am Flickenteppich wachsen

Der Ruf nach mehr Einheitlichkeit bei den Corona-Regeln wird lauter. Bundesgesundheitsminister Spahn erwägt ein Ende der Testpflicht für Rückreisende.
Bild: Immerhin darüber existiert ein Konsens: Masken sind sinnvoll um das Coronavirus zu bekämpfen

BERLIN taz/dpa | Bald vier Monate ist es her, dass Angela Merkel das Corona-Krisenmanagement [1][weitgehend den Länderchefs übertragen] hat. Damals lieferten sich die Länder angesichts sinkender Infektionszahlen einen Überbietungswettbewerb bei den Lockerungen − weshalb die Kanzlerin die Verantwortung abgab. Schon damals warnten manche vor einem Flickenteppich, der infolge völlig unterschiedlicher Regelungen in den Ländern drohe. Inzwischen sehen sich viele in dieser Befürchtung bestätigt.

Denn während bundesweit die Infektionszahlen seit Wochen rasant nach oben schnellen – am Wochenende wurde sogar die Marke von 2.000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden überschritten – wächst der Unmut über die uneinheitlichen Regeln. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern beraten deshalb am Montag über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise. In der Telefonkonferenz soll es unter anderem um die Auflagen für Privatfeiern gehen, wie die Vorsitzende der Konferenz ankündigte, die Berliner Ressortchefin Dilek Kalayci (SPD.

So sind es auch private Zusammenkünfte, die aktuell neben Reiserückkehrern den größten Anteil der Neuinfektionen ausmachen. Das Problem dabei: Die Obergrenze, wie viele Menschen bei Familienfeiern oder sonstigen privaten Veranstaltungen zusammenkommen dürfen, unterscheidet sich zwischen Kiel und München mitunter arg: So dürfen sich etwa in Berlin bis zu 500 Personen in geschlossenen Räumen treffen, in Bayern aber nur 100, in Hamburg sogar nur 50.

Unter den Länderchefs besteht weiterhin kein Konsens darüber, ob bundesweit einheitliche Regelungen eine gute Idee sind. Zwar sprach sich etwa Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher dafür aus: „Man kann durch Einheitlichkeit die Verständlichkeit, die Akzeptanz der Regeln verbessern“, sagte der SPD-Politiker am Morgen im ZDF.

Quarantänepflicht statt Testpflicht

Andere wiederum beharren auf den Status quo. So sagte Michael Kretschmer aus Sachsen, es habe überhaupt keinen Sinn, einheitlich gegen das Virus vorzugehen. Im Deutschlandfunk plädierte der CDU-Politiker für ein abgestuftes regionales Vorgehen.

Umstritten ist auch die Frage nach einem bundesweit einheitlichen Bußgeldkatalog für Maskenverweigerer sowie die Ausweitung der Maskenpflicht auf den Arbeitsplatz. Mit konkreten Beschlüssen ist am Montag zwar nicht zu rechnen. Allerdings dient das Gespräch der Gesundheitsminister auch der Vorbereitung für das Bund-Länder-Treffen am Donnerstag. Dann kommt die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten zusammen − um womöglich auch Beschlüsse zu fassen.

Ein Thema dürften dann auch Testkapazitäten sein. Berlins Gesundheitssenatorin Kalayci erklärte dazu am Montag, dass die Kapazitäten für Tests auf Covid-19 in der Hauptstadt an seine Grenzen stoßen. „Wir sind jetzt bei 93 Prozent“, sagte sie.

Um die Labore zu entlasten, erwägt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) offenbar, die [2][Testpflicht für Reiserückkehrer] aus Risikogebieten bald wieder abzuschaffen. Die Deutsche Presse-Agentur berichtet dazu über einen entsprechenden Vorschlag, den der Minister am Montag seinen Länderkollegen vorgelegt hat. Statt einer Testpflicht würde nach Ende der Sommerferien dann wieder primär eine Quarantänepflicht greifen.

24 Aug 2020

LINKS

[1] /Weitgehende-Corona-Lockerungen/!5681159
[2] /Verfassungsrechtler-zu-Corona-Testpflicht/!5704733

AUTOREN

Daniel Godeck

TAGS

Schwerpunkt Coronavirus
Maskenpflicht
Quarantäne
Jens Spahn
Schwerpunkt Angela Merkel
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus

ARTIKEL ZUM THEMA

Bund-Länder-Beschluss zu Coronatests: Spahns Schlingerkurs

Noch vor wenigen Wochen versprach der Gesundheitsminister kostenlose Tests für Urlauber. Jetzt soll das nicht mehr gelten – außer in Söders Bayern.

Bundesländer beraten über Coronazahlen: Schwieriger Gipfel

Die Corona-Infektionszahlen steigen wieder. Die Bundesländer wollen über Maßnahmen beraten. Nach Einigung sieht es allerdings nicht aus.

Entscheidung zu 160 Drittstaaten: Maas verlängert Reisewarnung

Wegen der Coronapandemie rät das Auswärtige Amt weiterhin von Reisen außerhalb der EU ab. Die Warnung gilt nun bis Mitte September.

Debatte über Corona-Vorgaben: Politik erwägt mehr Maskenpflicht

Die Zahl der Corona-Neuinfektionen steigt weiter an. Führende PolitikerInnen diskutieren deshalb über strengere Maßnahmen.

Reisebeschränkungen in der EU: Alarm ohne Plan

Die EU warnt vor steigenden Coronazahlen. Doch eine gemeinsame Strategie bei Reisebeschränkungen fehlt. Jedes Land macht seins. Fünf Beispiele.

Pannen bei Corona-Tests in Bayern: Keine Zeit für „ewige Rückschau“

Die CSU stellt sich ein weiteres Mal hinter Gesundheitsministerin Huml. Sie hatte früher als angegeben von den Pannen gewusst.