taz.de -- Commerzbank ohne Führung: Ehrliche Rendite gesucht

Niedrige Zinsen zwingen Führungspersonen der Commerzbank zur Niederlegung ihrer Ämter. Etwa die Hälfte der 1.000 Filialen dürften schließen.
Bild: Einen Schluck zur Beruhigung genehmigt sich Ex-Bankenchef Zielke

Man kann es als Zeichen sehen: Im September 2018 musste die Commerzbank den DAX verlassen, weil der Aktienkurs in den Keller gerauscht war. Stattdessen kam – Wirecard. Zwar lassen sich die beiden Unternehmen nicht vergleichen, denn immerhin gibt es die Commerzbank noch, während sich Wirecard zu einem beispiellosen Betrugsfall auswächst. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten: Beide Firmen lassen ahnen, wie ungeklärt die Zukunft des Finanzplatzes Deutschland ist.

Bei der Commerzbank sind jetzt der Vorstandsvorsitzende Martin Zielke und Aufsichtsratschef Stefan Schmittmann zurückgetreten, weil die wichtigsten Aktionäre unruhig wurden. Sie wollen Rendite sehen, doch mit nennenswerten Gewinnen kann die Commerzbank nicht dienen. Sie ist zwar immer noch eine Großbank, die 11 Millionen Kunden betreut und 30 Prozent des deutschen Außenhandels abwickelt. Aber selbst dieser Umsatz reicht nicht aus, um gesunde Profite zu erwirtschaften.

Ein Grund: Die Zinsen sind so niedrig, dass sich mit Krediten kein Geld mehr verdienen lässt. Die niedrigen Zinsen treffen nicht nur die Commerzbank – auch die Deutsche Bank wankt. Finanzminister Scholz forcierte daher im vergangenen Jahr die Idee, beide Institute zu fusionieren. Nach dem falschen Motto: Zwei schwache Banken ergeben eine starke. [1][Die Fusion ist inzwischen abgesagt], aber die Frage bleibt, wie die Großbanken Geld verdienen sollen. Bisher fällt ihnen nur ein, Arbeitsplätze zu streichen.

Es ist abzusehen, dass die Commerzbank etwa die Hälfte ihrer 1.000 Filialen schließen dürfte. Auch die [2][Deutsche Bank] baut derzeit weltweit 18.000 Stellen ab. Die Deutsche Bank setzt zudem auf Expansion. Sie erwägt, die „gesunden“ Teile von Wirecard zu übernehmen. Dagegen wäre nichts zu sagen, falls es gesunde Bereiche geben sollte. Aber Wirecard steht für mehr: Die [3][Pleitefirma] hat gezeigt, dass sich auf den Finanzmärkten großes Geld nur mit Betrügereien „verdienen“ lässt. Das kann kein Vorbild sein. Aber was dann?

6 Jul 2020

LINKS

[1] /Deutsche-Bank-und-Commerzbank/!5585250&s=martin+zielke/
[2] /Urteil-vom-BGH-zu-Kreditinstituten/!5697660&s=deutsche+bank/
[3] /Angeblich-Bilanzbetrug-beim-Dax-Konzern/!5696389&s=kredite/

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Ulrike Herrmann

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