taz.de -- Mein Kriegsende 1945: „Ich war 20 und wollte leben!“

Zeitzeugen erinnern sich (Teil 11): Stanisław Zalewski hat vier Konzentrationslager überlebt. Raus traute er sich erst, als die Amerikaner da waren.
Bild: Stanisław Zalewski

Stanisław Zalewski ist 95 Jahre alt. Der christliche Pole lebt in Warschau:

„Am 8. Mai 1945 war ich noch in Österreich. Ich hatte die Konzentrationslager Auschwitz, Mauthausen, Gusen I und Gusen II überlebt. Das eigentliche Kriegsende war für mich der 2. Mai 1945. Da kamen die SS-Männer plötzlich nicht mehr zur Arbeit, und wir Häftlinge übernahmen das Lager. Doch bis zur Befreiung durch die Amerikaner am 5. Mai trauten wir uns nicht aus dem Lager heraus. Der Hunger wurde unerträglich.

Nachdem die amerikanischen Soldaten das Tor geöffnet und die letzten Deutschen und Österreicher verhaftet hatten, verschwanden sie erst einmal wieder. Die Mutigsten von uns organisierten draußen etwas für den Kochtopf. Dann aßen wir uns satt.

Am nächsten Morgen waren aber viele der am Vortag noch so Glücklichen tot. Zwischen ihnen lagen die Körper gelynchter SS‑Kollaborateure.

Ich machte mich mit ein paar anderen Polen auf den Weg in die Heimat. Die nächste Stadt war Linz. Als wir am 8. Mai 1945 dort ankamen, waren die Geschäfte schon von anderen Häftlingen geplündert worden, insbesondere die Lebensmittelläden. Wir hatten ja kein Geld. Wir nahmen uns, was wir kriegen konnten.

Nach knapp drei Monaten erreichte ich das kriegszerstörte Warschau. Meine Mutter und mein älterer Bruder waren tot, das Haus war zerbombt. Doch ich war 20 Jahre alt, hatte vier Konzentrationslager überstanden und wollte leben!“

Aufgezeichnet von Gabriele Lesser

Zuletzt erschienen:

(10) [1][Guy Stern, US-Ermittler]

(9) [2][Eva Fahidi, Auschwitz-Überlebende]

(8) [3][Jack Rindt, kanadischer Soldat]

(7) [4][Johns Lampel, befreit in Theresienstadt]

9 May 2020

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Gabriele Lesser

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