taz.de -- Länderstreit um Abiturprüfungen: Alle müssen weiterbüffeln
Die Prüfungen sollen wie geplant stattfinden. Die Kultusminister:innen zwangen Schleswig-Holstein zum Rückzieher.
Abiturient:innen dürfen die Schule doch noch nicht abhaken. Die Prüfungen sollen trotz Coronakrise [1][und geschlossener Schulen] stattfinden. Darauf verständigten sich die Kultusminister:innen der 16 Bundesländer bei einer Telefonkonferenz am Mittwoch. Die Prüfungen sollen demnach zum geplanten oder zu einem Notfalltermin stattfinden. Damit können auch schleswig-holsteinische Schüler:innen [2][nicht auf eine Ausnahmeregelung hoffen].
Am Tag zuvor hatte die dortige Bildungsministerin Karin Prien, CDU, vorgeschlagen, die Prüfungen zum Abitur und zum Mittleren Schulabschluss in diesem Jahr [3][ausnahmsweise ausfallen zu lassen]. Es sei nicht absehbar, wann die Schulen wieder offen seien, und beim Lernen ohne Lehrer:innen komme es mehr denn je auch [4][auf den Bildungsstand der Eltern] an. Mehrere ihrer Länderkolleg:innen hatten gegen diesen Alleingang heftig protestiert.
Die Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, die [5][rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig], SPD, sagte am Mittwochnachmittag, dass „zum heutigen Zeitpunkt“ eine Absage der Abschlussprüfungen nicht notwendig sei. Darauf hätten sich die 16 Länder in der Telefonschalte geeinigt. „Einstimmig“, wie Hubig betonte. „Wir hatten Klärungsbedarf“, deutete Hubig den Unmut der übrigen Kultusminister:innen über Priens Vorstoß an. Nun aber hätten sich alle Länder darauf verständigt, dass alle Abiturprüfungen stattfinden sollen. Gleiches gelte auch für die Abschlussprüfungen an Real- oder Berufsschulen.
„Mir ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler, aber auch die Eltern Planungssicherheit haben“, sagte Hubig. Es solle vermieden werden, dass man Corona mit ins neue Schuljahr schleppt. [6][Die Lage sei aber „ungeheuer dynamisch“], betonte die KMK-Vorsitzende. Die Gesundheit der Schüler:innen und der Lehrkräfte stehe natürlich an erster Stelle.
Rheinland-Pfalz fast durch, Hessen dabei
In Rheinland-Pfalz schließen gut zwei Drittel der Abiturient:innen (der G9-Jahrgang) diese Woche das Abitur ab, so früh wie in keinem anderen Bundesland. Die G8-Abiturient:innen sollen wie geplant am 30. April starten.
Auch in Hessen haben die Prüfungen bereits begonnen. Entsprechend irritiert war man dort über den Vorstoß aus Schleswig-Holstein. „Das ist nicht das, was die KMK vor zehn Tagen beschlossen hat“, so ein Sprecher des hessischen Kultusministeriums in Wiesbaden. In Hessen liefen die Prüfungen bisher ohne große Probleme. Die Schulen meldeten, dass trotz der Sicherheitsvorkehrungen alles „reibungslos“ laufe. Und die Zahl derer, die nicht zur Prüfung erscheinen konnten, sei bislang nur minimal höher als in den vergangenen Jahren: gut 2 statt bisher 1 Prozent der Abiturient:innen.
„Wobei wir nicht wissen, aus welchen Gründen die nicht gekommen sind. Es gibt ja nicht nur Corona.“ Jeder werde automatisch zur Nachprüfung angemeldet. Der hessische Kultusminister Alexander Lorz, CDU, betonte nach dem Gespräch der Länderkolleg:innen: „Für Hessen heißt das, dass wir die schriftlichen Abiturprüfungen wie vorgesehen bis zum 2. April fortführen werden.“
Andere Länder haben bereits angekündigt die Prüfungen zu verschieben. So werden Baden-Württemberg und Bayern erst Mitte Mai starten, um den Schüler:innen Zeit zur Vorbereitung zu geben. Auch Berlin hat den offiziellen Prüfungsstart auf den Nachholtermin nach den Osterferien verlegt. NRW will die Planungen am Freitag bekannt geben. Alle Länder versicherten, dass, egal wie das Abitur zustande käme, die Hochschulreife gegenseitig anerkannt würde.
25 Mar 2020
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Baden-Württemberg beugt sich dem Votum eines Bürgerrats und einer erfolgreichen Volksinitiative. Doch es braucht Zeit für mehr Lehrpersonal.
Abiturienten fordern in einem Offenen Brief die Absage der Prüfungen. Die Corona-Krise lasse keine Vorbereitung auf Klausuren zu, sagt Johanna Todaro.
Die Frage, wie das Abi 2020 zustande kommt, ist noch nicht vom Tisch. Auch bei der Benotung der Heimarbeit von jüngeren Schülern herrscht Uneinigkeit.
Die Schulen sollen verstärkt Lernprogramme nutzen. Die BildungsministerInnen von Bund und Ländern stellen dafür 100 Millionen Euro bereit.
Der Verzicht auf Prüfungen ist vom Tisch. Ein Abi ohne sie wäre auch ungerecht und ein lebenslanger Minuspunkt.
Die diesjährigen Abiturient:innen könnten ihr Abitur ohne Prüfungen bekommen. Auch wenn sich das viele wünschen, eine gute Idee ist es nicht.
Das Reifezeugnis solle es 2020 ohne schriftliche Prüfung geben, fordern Schüler. Schleswig-Holstein will das mit den Kultusministern diskutieren.
Jahrelang war digitales Lernen für Lehrer:innen und Schüler:innen ein Randthema. Corona ändert das. Alle lernen digital. Geht das?