taz.de -- Frauentagsführung für Männer: Shopping und Säbelzahntiger
Immer schon so gewesen? Die Archäologin Tosca Friedrich kratzt an angeblich unumstößlichen Geschlechterklischees.
Ist schlechtes Einparken mit der Steinzeit erklärbar? [1][Wenn es nicht gleich die Evolutionsbiologie ist], dann muss gerne die Archäologie herhalten: zur Rechtfertigung angeblich immer schon so gewesener Unterschiede zwischen den Geschlechtern. „Sagen wir: Da kommt eine 5. Klasse zu uns“, erzählt Tosca Friedrich, Leiterin des Bereichs Bildung und Vermittlung am [2][Oldenburger Museum Natur und Mensch]. „Dann frage ich: ‚Wie haben die Menschen in der Steinzeit gelebt?‘. Die Kinder melden sich und sagen: ‚Die Männer sind auf die Jagd gegangen, die Frauen haben gesammelt.‘“
Das sei, was sie in der Schule beigebracht bekommen, was in ihren Steinzeit-Bilderbüchern zu sehen ist. Aber im Fach, der Archäologie, sei es „längst nicht mehr gang und gäbe“, so Friedrich. „Dass etwa die Frauen nicht hätten jagen dürfen: totaler Blödsinn. Dass aber Kinder das noch beigebracht bekommen – das erschüttert mich. Das ist ja eigentlich ein Weltbild aus den 1950er-Jahren.“
Die Frauen haben genäht, während die Kerle Keulen schwingend jagten: Aus derlei Pseudo-Gewissheiten leiten Interessierte bis heute angeblich unterschiedliche Eignungen von Männern und Frauen ab. Ein Dabei zeigen archäologische Funde ein deutlich [3][differenzierteres Bild über die Geschlechterverhältnisse] in diesem Zeitabschnitt.
Das möchte Friedrich am Internationalen Frauentag, diesem Sonntag zeigen: mit einer Sonderführung durch die archäologische Ausstellung. Sie wolle zeigen „dass die Geschlechterrollen nicht so festgelegt waren, wie es in den Medien gerne vermittelt wird“, so Friedrich zur taz. „Ich ziehe dabei die Kunst der Altsteinzeit mit ihren vielfachen Darstellungen von Frauen und weiblichen Attributen als Beispiele heran, sowie einige aussagekräftige Gräber, die durch ihre Beigaben anzeigen, dass auch Frauen eine Führungsposition innerhalb ihrer Gesellschaft inne hatten.“
Der Clou: Zwar müssen am Sonntagvormittag auch Männer (respektive „männlich Sozialisierte“) den Museumseintritt entrichten. Die Teilnahmegebühr für die Führung in Höhe von drei Euro aber wird ihnen erlassen: „im Sinne der Aufklärungsarbeit“.
6 Mar 2020
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Studierende leben eine Woche lang im Steinzeitpark Albersdorf und probieren Techniken aus der Steinzeit aus. Zuschauer*innen sind erwünscht.
In dem anatolischen Dorf prägten vor 8.000 Jahren nicht die verwandtschaftlichen Beziehungen den Alltag. Gab es dort eine egalitäre Gemeinschaft?
Im Mai entdeckten Forscher ein mehr als 5.000 Jahre altes Skelett. Inzwischen ist klar: Es war kein gewöhnliches Grab.
Jüngste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Menschen das mit der Gleichberechtigung in der Steinzeit besser hingekriegt haben als heute.
Wenn wir Kindern T-Shirts kaufen, hüllen wir sie in Geschlechterklischees, sagt Forscherin Petra Lucht. Ein Spaziergang durch Textil-Discounter.
Mädchen lesen besser als Jungen: Bildungsforscher Hurrelmann fordert daher, dass in Lesebüchern mehr Texte über Technik zu finden sind.
"Müssen jetzt alle Frauen-Fußball gut finden?", fragte Frank Plasberg – ein skandalöser Tiefpunkt des Männer-Geredes über Frauen-Fußball.