taz.de -- Coronavirus weltweit: WHO tut sich mit Taiwan schwer

Zwei Tage lang tagt die Organisation in Genf, um Strategien gegen das Virus zu erarbeiten. Doch Taiwan ist auf Druck Chinas ausgeschlossen.
Bild: Auch in Taiwan an der Standart: BehördenmitarbeiterInnen überprüfen einen Sicherheitsanzug

Peking taz | Noch vor dem zweitägigen Treffen von Experten und Wissenschaftlern in Genf, gab die Weltgesundheitsorganisation (WHO) [1][der neuartigen Lungenkrankheit] endlich einen Namen: „Covid-19“ soll sie von nun an offiziell heißen. WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus gab bekannt, mit diesem Namen keine Bevölkerungsgruppe stigmatisieren zu wollen. „Corona“, „Virus“ und „Disease“ sind die neutralen Termini, aus denen sich das neue Kürzel speist.

400 Fachleute tagten bis zum Mittwoch, um nach möglichst konkreten Antworten auf die drängenden Fragen zu suchen – etwa, wie genau das Virus übertragen wird. Viele Aspekte rund um die im Dezember 2019 im zentralchinesischen Wuhan ausgebrochene Epidemie sind unklar. Die offizielle Angabe, die am Mittwoch weltweit bei über 45.000 Infizierten rangierte, dürfte deutlich unter den tatsächlichen Infektionen liegen. Vieles deutet darauf hin, dass oft nur milde, kaum merkbare Symptome auftreten.

Fast alle Experten sind sich einig, dass die internationale Zusammenarbeit beim Kampf gegen das Virus wichtiger denn je ist. Doch China übt nach wie vor politischen Druck aus, um Taiwan von der WHO auszuschließen.

Hintergrund ist ein seit Gründung der Volksrepublik China vor 70 Jahren anhaltender Streit über die Herrschaft über den Inselstaat Taiwan. Dieser war zwar Gründungsmitglied der Vereinten Nationen, doch im Jahr 1971 nahm China dessen Sitz ein. Bis 2016 erlaubte Peking seinem Nachbarstaat noch, zumindest als beobachtendes Mitglied an den jährlichen Sitzungen der WHO teilzunehmen.

Für WHO als Teil Chinas

Seit 2016 [2][mit Tsai Ing-Wen eine pekingkritische Präsidentin im Amt] ist, hat China jedoch den Druck erhöht, Taiwan vollständig auszuschließen. Die WHO kommuniziert nun nicht mehr direkt mit Taiwan. Das Land könnte WHO-Informationen auch künftig nur über Drittstaaten erhalten. In Taiwan gibt es mindestens 18 bestätigte Infektionen.

Noch jedoch bekräftigt die WHO die Zusammenarbeit mit dem Inselstaat. In einem schnoddrigen Tweet hat Taiwans Außenminister höchstpersönlich gegen die Gesundheitsbehörde ausgeteilt: „WHO, was ist nur los mit euch?“, schreibt Joseph Wu. „Taiwan ist Taiwan und kein Teil von China.“ Die WHO bezeichnet den Inselstaat nämlich wahlweise als „Taiwan, China“ oder einfach in Anlehnung an seine Hauptstadt als „Taipeh“.

Chinas Präsidenten Xi Jinping hatte WHO-Chef Ghebreyesus hingegen für seine offene Kommunikation gelobt – so überschwänglich, dass nicht wenige Kritiker ein Einknicken vor dem drittwichtigsten Geldgeber vermuteten.

Innerhalb des Landes [3][unterdrückt die chinesische Regierung] nach wie vor freie Berichterstattung: Am Montag wurde ein Bürgerjournalist in Wuhan verhaftet, der in einem Krankenhaus Videoaufnahmen von mehreren Leichensäcken gemacht hatte.

12 Feb 2020

LINKS

[1] /Massnahmen-gegen-Coronavirus/!5660666
[2] /Praesidentschaftswahl-in-Taiwan/!5655133
[3] /Lungenkrankheit-in-China/!5658930

AUTOREN

Fabian Kretschmer

TAGS

Schwerpunkt Coronavirus
Taiwan
China
WHO
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
Schwerpunkt Coronavirus
China
Schwerpunkt Coronavirus
Präsidentschaftswahl Taiwan
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten

ARTIKEL ZUM THEMA

Professorin über WHO und Trump: „Mehr Handlungsspielräume“

Die Professorin Anna Holzscheiter spricht über die Bedeutung der WHO für den globalen Umgang mit der Pandemie und Trumps haltlose Kritik.

Internationaler Umgang mit Coronavirus: Nordkorea nicht isoliert genug

Die USA bieten Nordkorea Hilfe beim Umgang mit dem Coronavirus an. Die deutsche Lufthansa verlängert ihre Flugpause nach China bis Ende März.

Mehr Erkrankungen in China: Coronavirus immer aggressiver?

Die Zahl der Infizierten steigt drastisch – weil jetzt auch wahrscheinlich Erkrankte mitgezählt werden. Das ist aber sinnvoll, sagen Experten.

Politische Folgen des Coronavirus: China tauscht Köpfe aus

Wegen des Umgangs mit dem Coronavirus setzt China führende Funktionäre der Provinz Hubei ab. Die Zahl der Infizierten und Toten steigt weiter.

Maßnahmen gegen Coronavirus: Hände waschen nicht vergessen!

Nicht so schlimm wie SARS, Grippe und Masern: Gegen das Coronavirus gibt es zwar bislang noch keinen Impfstoff, aber man kann sich schützen.

Präsidentschaftswahl in Taiwan: Eine klare Botschaft an Peking

Die China-kritische Präsidentin Tsai Ing-Wen gewinnt deutlich. Vor allem Jüngere haben für sie gestimmt – auch wegen der Lage in Hongkong.

Trans Ministerin über Taiwan: „Ich erteile keine Befehle“

Als erste trans Ministerin weltweit: Audrey Tang war Programmiererin, bevor sie sich überreden ließ, in Taiwan Digital-Ministerin zu werden.