taz.de -- Mangelhafte Umweltpolitik: Rauchzeichen aus der Zukunft

Die australischen Feuerstürme sollten uns warnen. Die Maßnahmen, die für 2020 angekündigt wurden, bleiben aus oder werden verschoben.
Bild: Warnung vom anderen Ende der Welt: Buschbrände in Australien

Die Horrorbilder aus dem [1][flammenden Inferno Australiens] erzeugen Angst: Nicht nur, weil Menschen und Tiere sterben und auch eine moderne Industriegesellschaft machtlos ist gegen die Naturgewalt. Sondern auch, weil wir ahnen, dass diese Brände am Beginn der zwanziger Jahre des 21. Jahrhunderts mehr mit uns zu tun haben, als uns lieb ist. Sie zeigen, wohin es führt, wenn wir [2][drängende Umweltprobleme] auf die lange Bank schieben.

Die Natur schlägt nicht zurück. Sie hat keinen Schlachtplan, sie nimmt keine Rache. Sie reagiert auf physikalische Bedingungen. Je heißer und trockener es ist, je stärker die Winde werden und je feueranfälliger die Wälder, desto verheerender werden die Buschbrände. Das haben wir in den letzten Monaten bei den Feuerstürmen in Kalifornien, am Amazonas, in Sibirien und auch in Brandenburg erlebt. Schon macht das Wort vom „Pyrozän“ die Runde, dem „Zeitalter des Feuers“.

Aber dieses Zeitalter kommt nicht über uns, als seien wir machtlos. Wir beschwören es durch unsere Verbrennung von Kohle, Öl und Gas selbst herauf. Waldbrände lassen sich nicht vermeiden. Aber wir können verhindern, dass sie zur Katastrophe werden. Wenn wir Regeln durchsetzen, um das nächste Unheil zu vermeiden.

Das nennt man Politik. Und in ebendieser vorsorgenden Umweltpolitik hält uns in Deutschland das Jahr 2020 den Spiegel vor. Das Bild ist nicht schön: In fast allen Bereichen [3][verfehlen Deutschland und die EU ihre eigenen Ziele]: beim Klima, dem Artenschutz, der Luft, dem Gewässerschutz. Große Fortschritte, die für 2020 angekündigt wurden, bleiben aus oder werden nach hinten geschoben. Eine Bilanz der gebrochenen Versprechen.

Da sind die Feuer in Australien Rauchzeichen aus der Zukunft. Dort und überall kommt es darauf an, mit klaren Vorgaben das Desaster zu verhindern – und dann diese ernsthaft umzusetzen, auch gegen die Widerstände aus Politik, Lobbygruppen und Industrie. Das nennt man dann Tagespolitik. Das ist umso dringender am Beginn der zwanziger Jahre: Glaubt man der Wissenschaft, entscheidet diese Dekade darüber, ob wir den Klimawandel halbwegs in den Griff bekommen. Aber dafür müssen die weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 halbiert werden.

Das ist nicht zu schaffen mit der bisherigen Politik, diese Probleme auszusitzen: hohe Ziele formulieren, dann wenig tun, um sie umzusetzen. Wer die Lösung von „Umweltproblemen“ als Luxus definiert, wie es die Bundesregierungen lange getan haben, steht plötzlich vor brennenden Fragen. Und dann hilft nicht einmal mehr die Feuerwehr.

2 Jan 2020

LINKS

[1] /Feuersbrunst-in-Australien/!5648928
[2] /Klimawandel-und-Migration/!5651072
[3] /Gefaehrdete-Artenvielfalt/!5634995

AUTOREN

Bernhard Pötter

TAGS

Schwerpunkt Artenschutz
Australien
Klimaschutzziele
Umweltpolitik
Naturkatastrophe
Scott Morrison
Scott Morrison
Australien
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
Regenwurm

ARTIKEL ZUM THEMA

Naturkatastrophen-Bilanz 2019: Weniger Tote durch Unwetter

Laut Rückversicherer Munich Re überleben mehr Menschen Naturkatastrophen, weil die Vorbeugung besser wird. Der materielle Schaden bleibt hoch.

Waldbrände in Australien: Katastrophales Krisenmanagement

Australiens Regierungschef Scott Morrison will den Ernst der Lage nicht erkennen. Mit seinem Zögern gerät das Feuer immer weiter außer Kontrolle.

Kritik an Australiens Premier: Morrison versagt

In Australien sind viele Leute sauer auf Premierminister Scott Morrison. Er hat viel zu zögerlich auf die Brandkatastrophe reagiert.

Waldbrände in Australien: Das „Tschernobyl der Klimakrise“

Extreme Hitze, zerstörte Parks, Militär als Menschenretter. Ein Schriftsteller zieht Parallelen zwischen Australien und dem Ende der Sowjetunion.

Gute Vorsätze für das neue Jahrzehnt​: Null und Nullkommafünf

Klimakrise, Artensterben, ja, auch Welthunger und Gerechtigkeitsgap: Nie waren gute Vorsätze so wichtig wie zu Beginn der Zwanziger Jahre.

Feuersbrunst in Australien: Vögel fallen vom Himmel

Die Buschfeuerkrise hält an. In der Bevölkerung wächst der Unmut über die Klimapolitik der Regierung unter Premierminister Scott Morrison.

Klimawandel und Migration: Klimaflucht prominent ignoriert

Regierungsberater fordern mehr Einsatz für Klimaflüchtlinge. Doch beim UN-Flüchtlingsforum schweigt Deutschland.

Gefährdete Artenvielfalt: Der Mensch hängt am Wurm

Regenwürmer sind wichtig für das Ökosystem. Doch Wissenschaftler wissen wenig über die bedrohten Tiere. Etwa wie sie mit Glyphosat klarkommen.