taz.de -- Straßenproteste in Frankreich: Der Druck bleibt

Die Zahl der Demonstrant:innen ist zwar zurückgegangen. Doch der Frust bei Frankreichs Bürger:innen wird so schnell nicht verschwinden.
Bild: Mit Che Guevara gegen die geplante Rentenreform: Protest in Paris am Dienstag

Frankreich wird gern mit einem Schnellkochtopf verglichen: Wenn der Druck zu sehr steigt, fängt es unter dem Deckel zu dampfen und zu zischen an, bevor dann alles überkocht. Momentan zischt und brodelt es gewaltig. Zwar folgten dem [1][Streik gegen die Rentenreform] am Dienstag nicht mehr so viele Menschen wie noch vergangene Woche. Auch die Zahl der Demonstrant:innen ist zurückgegangen. Doch die Regierung sollte sich darüber nicht zu früh freuen. Denn die Unterstützung für die Protestbewegung ist nach wie vor hoch.

Daran dürfte auch die Bekanntgabe der Rentenpläne am Mittwoch nicht viel ändern. So schnell kann Premierminister Edouard Philippe den Schaden nicht wiedergutmachen, den seine Regierung in den vergangenen Monaten angerichtet hat. Widersprüchliche Aussagen, undurchsichtige Strategie, langes Lavieren – die Liste der Fehler ist ausgerechnet bei der [2][wichtigsten Reform Präsident Emmanuel Macrons] lang.

Die Gewerkschaften ergreifen deshalb die Chance, die das Aufregerthema Rente ihnen bietet. Sie werden die Streiks und Proteste so lange wie möglich aufrechterhalten. Die Radikalsten unter ihnen wollen so lange weitermachen, bis der Präsident seine Rentenreform zurückzieht. Das kann Macron natürlich nicht tun, wenn er nicht die Glaubwürdigkeit bei den eigenen Wähler:innen verlieren will. Der Staatschef, der seine Landsleute über seine Pläne viel zu lange im Ungewissen gelassen hat, kann seine Reform nun nur noch so formulieren, dass sie zumindest die gemäßigten Gewerkschaften zufriedenstellt. Damit wird aber die verbreitete Unzufriedenheit nicht verschwinden.

Niedrige Kaufkraft, sich verschlechternde öffentliche Dienstleistungen, ein starkes Stadt-Land-Gefälle: All diese Probleme sind mit der Rentenreform wieder an die Oberfläche gekommen. Im vergangenen Jahr waren es die Demonstranten [3][in gelben Westen], die sie auf die Straße getragen haben. In diesem Jahr sind es die Gewerkschaften mit ihren roten Flaggen. Die Farben haben sich geändert, doch der Druck im Kessel bleibt.

11 Dec 2019

LINKS

[1] /Generalstreik-in-Frankreich/!5644624
[2] /Rentenproteste-in-Frankreich/!5644353
[3] /Streiks-in-Frankreich-gehen-weiter/!5648116

AUTOREN

Christine Longin

TAGS

Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Frankreich
Rente
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Berufsgewerkschaften
Schwerpunkt Emmanuel Macron

ARTIKEL ZUM THEMA

Streit um Rentenreform in Frankreich: Monsieur Rente muss in Rente

Seit Tagen demonstrieren Menschen in Frankreich gegen die geplante Rentenreform. Nun ist ihr „Vater“ über einen Transparenzskandal gestolpert.

Streit über Macrons Rentenreform: Macron überzeugt nicht

Im Streit um Frankreichs Rentensystem geht es vor allem um den Kampf gegen soziale Ungleichheit. Der Widerstand ist dringend notwendig.

Rentenreform in Frankreich: Der Protest geht weiter

Die Regierung verkauft ihre Rundumerneuerung der Altersbezüge als sozialen Fortschritt. Vergeblich. Die Gewerkschaften wollen die Streiks fortsetzen.

Streiks in Frankreich gehen weiter: Comeback der Gelbwesten

Die Proteste gegen die Rentenreform haben den Gelbwesten neuen Mut gegeben. Seit Tagen streiken die Menschen – ein Ende scheint vorerst nicht geplant.

Generalstreik in Frankreich: „Macron hat sich verschätzt“

In Frankreich heizt die Staatsführung den Konflikt mit Gewerkschaften und Gelbwesten unbewusst weiter an. Das meint die Historikerin Danielle Tartakowsky.

Rentenproteste in Frankreich: Wut und Misstrauen

Eine Rentenreform ist in Frankreich überfällig. Doch viele misstrauen Macrons Vorhaben. Sie befürchten, dass sie bald noch weniger Geld haben werden.