taz.de -- Konzern will Geburtshilfe schließen: Gnadenfrist für Mütter und Babys

Der Asklepioskonzern und Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsminister haben sich geeinigt. Die Geburtshilfe in Crivitz bleibt – vorerst.
Bild: Gibt es vorerst auch weiterhin in Crivitz: Neugeborene in einem Krankenhaus

Hamburg taz | Ja, es hätte so einfach sein können, wie es für die privaten Krankenhausbetreiber schon so oft war: Die Abteilungen, die nicht genug Kohle abwerfen, einfach dicht machen. Doch in Mecklenburg-Vorpommern war die Gegenwehr plötzlich ganz schön groß.

Angeblich nicht mehr lohnend arbeitet unter anderem die Gynäkologie und Geburtshilfe-Abteilung in Crivitz. Schon seit Juni wiederum ist in der Asklepios Klinik Parchim die Kinderstation geschlossen. Angeblich wegen Personalmangels. Das glaubte nur niemand ([1][taz berichtete]). Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) sollte deshalb helfen.

Und dazu setzte er an – allerdings auf ganz eigene Weise. Anfang Dezember gab er bekannt, die Station in Parchim werde nicht wieder eröffnen. Er erzählte stattdessen etwas von einem „Modellprojekt“ Tagesklinik und versprach Asklepios sogar, dafür eine Arztstelle zu finanzieren. Doch damit nicht genug: Weil er schon dabei war, verkündete Glawe gemeinsam mit Mediclin – ebenfalls ein privater Krankenhausbetreiber, an dem Asklepios die Hälfte der Anteile besitzt – die Gynäkologie und Geburtshilfe in Crivitz zum 1. Januar 2020 zu schließen ([2][taz berichtete]).

Doch da hatten Glawe und die Konzerne die Rechnung ohne die Betroffenen gemacht. Es gab Demos und Vertreter*innen aller Parteien hatten wenig freundliche Worte für diese „Lösung“ über. Auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) teilte gegen den Minister und die Konzernbetreiber aus. Schließlich sprach sich der Landtag einstimmig für den Erhalt der Geburtsstation aus.

Schwesig schickte Glawe zu Nachverhandlungen – und gab ihm den Auftrag, zu prüfen, ob Fördergelder und Landeszuschüsse, die die Kliniken erhalten, eventuell eingefroren werden könnten.

Der Landkreis will Rekommunalisierung prüfen

Zwei Tage verhandelte Glawe mit den Konzernbetreibern und dem Landkreis und [3][gab am Donnerstag bekannt]: In Parchim bleibt alles wie geplant, das „Modellprojekt“ Tagesklinik statt Kinderstation soll für ein Jahr getestet werden, das Land spendiert den Arzt und auch einen Hubschrauberlandeplatz, damit die schweren Fälle schnell nach Schwerin geflogen werden können.

Die Geburtenstation in Crivitz erhält eine Gnadenfrist von sechs Monaten. Bis dahin sollen die Beteiligten ein Gesamtkonzept erarbeiten, das den Erhalt der Station sichert. Dabei will der Landkreis Ludwigslust-Parchim mit allen Beteiligten auch prüfen, ob die Rekommunalisierung der Crivitzer Klinik eine Option wäre.

21 Dec 2019

LINKS

[1] /Asklepios-schliesst-Kinderstation/!5625777
[2] /Asklepios-schliesst-Kinderstation/!5649082
[3] https://www.regierung-mv.de/Landesregierung/wm/Presse/?id=156218&processor=processor.sa.pressemitteilung

AUTOREN

Marthe Ruddat

TAGS

Geburtshilfe
Mecklenburg-Vorpommern
Asklepios
Krankenhäuser
Kommerzialisierung
Mecklenburg-Vorpommern
Gesundheitspolitik
Geburtshilfe
Geburtshilfe
Hamburg

ARTIKEL ZUM THEMA

Klinik zurück in öffentliche Hand: Ein Krankenhaus für einen Euro

Der Kreistag Ludwigslust-Parchim hat für den Kauf der Klinik in Crivitz gestimmt. Die Geburtshilfe ist damit aber nicht gerettet.

Die Folgen der Ökonomisierung: Wem gehören die Krankenhäuser?

Der Verkauf der Krankenhäuser an Asklepios war für Hamburg ein durchwachsenes Geschäft. Jetzt geht die Diskussion wieder in die andere Richtung.

Asklepios schließt Kinderstation: Minister spendiert Arzt

In Mecklenburg-Vorpommern will der Asklepios-Konzern eine Kinder- und eine Geburtenstation schließen. Nach Protest soll der Minister nachverhandeln.

Asklepios schließt Kinderstation: Kinder nicht profitabel genug?

In Parchim hat Asklepios die Kinderstation geschlossen – angeblich wegen Ärzt*innenmangel und nur vorübergehend. Doch daran gibt es Zweifel.

Kritik an Krankenhauskonzern Asklepios: Nur für profitable Patient*innen

Mitarbeiter*innen der Rheumatologie an der Asklepios Klinik Altona kündigen offenbar reihenweise. Aus Sicht des Konzerns ist alles halb so schlimm