taz.de -- FPÖ-Parteitag in Graz: Österreichs Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Zweck des Parteitags war zu signalisieren: Es gibt keine Spaltung in der FPÖ, wir ziehen alle an einem Strang. Ob das lange gutgeht, ist zu bezweifeln.
Bild: Ibiza-Trauma? Das hat man in der FPÖ nun hinter sich gelassen

Die FPÖ geht geeint in die Neuwahlen vom 29. September und [1][hat das Ibiza-Trauma hinter sich gelassen]. Das ist die Botschaft, die am Samstag vom Bundesparteitag in Graz ausgesandt wurde. Das [2][Ibiza-Video], auf dem Ex-Parteichef Strache einer vermeintlichen Oligarchin gegen verdeckte Parteispenden den Ausverkauf der Republik anbot: eine Falle von Kriminellen. Parteifunktionäre mit Nazi-Nostalgie: unbedeutende Einzelfälle.

Der abwesende Strache wird in Graz mit Szenenapplaus gewürdigt. Die Hardcore-Freiheitlichen haben weder ein Problem mit den rechtsextremen „Einzelfällen“ noch mit den politisch-moralischen Verfehlungen ihrer Anführer.

Doch mit diesen Getreuen allein kann man keine Wahlen gewinnen. Der neue Parteichef Norbert Hofer weiß das nur zu gut und steckt sich für dieses Mal nur das Ziel, die Koalition mit Sebastian Kurz – „die beliebteste Regierung seit Jahrzehnten“ – als Juniorpartner fortzusetzen. Mittelfristig soll die FPÖ aber stärkste Kraft werden und auch Institutionen wie die Arbeiterkammer und den Wirtschaftsbund – derzeit Domänen von SPÖ beziehungsweise ÖVP – dominieren. Dafür muss man in die Breite gehen.

Dass Hofer mit seinem freundlichen Lächeln dazu imstande ist, haben die Bundespräsidentenwahlen 2016 gezeigt, bei denen er in der Stichwahl nur knapp dem Grünen Alexander Van der Bellen unterlag. Der verbindlich auftretende Parteichef fungiert als der bürgerliche Dr. Jekyll, während Ex-Innenminister Herbert Kickl mit seiner extremen Überwachungs- und Abschiebepolitik als grausamer Mr. Hyde die rechte Kernklientel bei der Stange hält.

Zweck der Parteitagsinszenierung war zu signalisieren: Es gibt keine Spaltung in der FPÖ, wir ziehen an einem Strang. Dass dieser Spagat zwischen Bürgerlichen und Wutbürgern lange gut geht, bezweifeln Politologen. Für jeden Koalitionspartner birgt er ein Sprengstoffpaket, das jederzeit explodieren kann, wie die Vergangenheit immer wieder gezeigt hat. Bisher wurde noch jede Koalition mit der FPÖ vor Ende der Legislaturperiode gesprengt.

15 Sep 2019

LINKS

[1] /Bundesparteitag-in-Graz/!5626106
[2] /Buch-ueber-Ibiza-Affaere/!5617734

AUTOREN

Ralf Leonhard

TAGS

FPÖ
Parteitag
Österreich
Ibiza-Affäre
Ibiza-Affäre
Wahl Österreich
ÖVP
Heinz-Christian Strache
FPÖ
Heinz-Christian Strache
Heinz-Christian Strache

ARTIKEL ZUM THEMA

Straches Facebook-Account stillgelegt: Jetzt sinnt er auf Rache

Die FPÖ löscht den Account ihres Ex-Chefs, dem dort 786.000 Freunde folgten. Strache kündigt daraufhin seine Rückkehr an – nicht nur auf Facebook.

Sozialpsychologe über Österreichs Rechte: „Es geht immer um Entwürdigung“

Klaus Ottomeyer findet die Vorwahlstimmung erfreulich. Der Sozialpsychologe über die Rechten im Opfermodus, den Sadismus von Herbert Kickl und das Wunder von Kärnten.

Rezo-Remakes in Österreich: Sie wollen die ÖVP zerstören

Zwei Youtuber in Österreich greifen kurz vor den Wahlen die Österreichische Volkspartei an. Sie wollen einen Machtwechsel herbeimonologisieren.

Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache: Im Visier von Österreichs Justiz

Das Ibiza-Video hat ihn zu Fall gebracht. Jetzt muss Strache auch mit juristischen Konsequenzen rechnen. Es geht um Steuerhinterziehung und Untreue.

Bundesparteitag in Graz: FPÖ verarbeitet Ibiza-Trauma

Mit 98 Prozent der Stimmen wird Norbert Hofer neuer Vorsitzender der FPÖ. Er lobt Ungarns Premier und wirbt für eine schärfere Asylpolitik.

Buch über „Ibiza-Affäre“: Schampus, Schwarzgeld und FPÖ

Zwei Journalisten der „SZ“ zeichnen in einem Buch die Hintergründe des skandalösen „Ibiza-Videos“ nach. Strache sieht sich durch den Inhalt entlastet.

Korruptionsaffäre in Österreich: Razzia bei Ex-FPÖ-Chef Strache

Medienberichten zufolge sind in Österreich die Häuser von FPÖ-Politikern durchsucht worden, darunter Ex-Parteichef Strache. Es geht offenbar um Bestechlichkeit.