taz.de -- Die Wahrheit: Gesprächstherapie mit Rechten

Höcke redet wie Hitler, Gauland sieht ein bisschen senil aus – so soll das angebliche Demaskieren rechter Politiker durch Journalisten funktionieren.
Bild: Lässig-spontaner Duktus: Hartmut El Kurdi (links) in seinem Stück „Home.Run“

Ich kann mich noch gut erinnern, wie damals, Anfang der vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, die Alliierten das Gespräch mit den besorgten deutschen Rechtsradikalen suchten. Man redete Face-to-Face mit den Nazis, man argumentierte inhaltlich, besuchte Rechtsintellektuelle auf ihren Landgütern, diskutierte mit NSDAP-Politikern in Radio-Talkshows über dieses und jenes und redete ihnen schließlich den geplanten Holocaust aus. Ich denke, diesem guten, erfolgreichen Beispiel sollten wir weiterhin folgen.

Mal im Ernst: Warum um Himmelswillen sollte man „mit Rechten reden“? Nie sagt ein Höcke, Kalbitz oder Tillschneider vor einer Kamera das, was er beim Kyffhäuser-Treffen des „Flügels“ sagen würde, im Zweifelsfall behaupten sie auch einfach mal das Gegenteil von dem, was sie im inneren Zirkel von sich geben. Stattdessen kann man auch versuchen, Kartoffelbrei an die Wand zu nageln.

Das „Demaskieren“, das manche Journalisten bei diesen Interviews angeblich beabsichtigen, gelingt nie: Im besten Fall sieht Gauland ein bisschen senil aus, und man kapiert, Höcke redet wie Hitler. Da die Hälfte ihrer Fans sich aber in einem ähnlichen Geisteszustand wie Gauland befindet und die andere Hälfte Hitler durchaus für eine positive Referenzgröße in Sachen Rhetorik hält, schreckt das niemanden ab.

Trotzdem geht das legitimierende Gequatsche weiter: So bekommt die AfD am Landtagswahlabend im MDR jeden Raum, um sich als ganz normale Partei darzustellen, und eine Moderatorin bringt dann sogar noch eine „bürgerliche Koalition“ zwischen CDU und AfD ins Spiel. Und im ZDF darf an einem normalen Mittwochabend zunächst Meuthen bei Dunja Hayali, dann danach Gauland bei Markus Lanz die übliche kulturell verbrämte rassistische Hetze ins Land blasen.

Auch schön: Der Kurator für die Dresdener Kulturhauptstadtbewerbung, Michael Schindhelm, trifft sich demnächst zum öffentlichen Plausch mit Susanne Dagen. Die Buchhändlerin findet nicht nur Pegida dufte, sondern initiierte auch die paranoide, vor einer linken Gesinnungsdiktatur in Deutschland warnende „Charta 2017“. Und sie moderiert gemeinsam mit der rechtsradikalen Ellen Kositza, der Frau des neurechten Chefideologen Götz Kubitschek, einen Leseabend, den besorgte Bildungsbürger auch auf YouTube verfolgen können. Titel: „Aufgeblättert. Zugeschlagen – Mit Rechten lesen“.

Mit „Zuschlagen“ kennen sich die Leute in diesem Millieu ja ganz gut aus. Auch wenn Kubitschek, Kositza und Höcke sich selbstverständlich von jeglicher Gewalt distanzieren. Womit wir wieder bei der Sinnlosigkeit solcher Gespräche wären. Diese Leute sagen öffentlich nicht, was sie wirklich denken und wollen.

Ich möchte nur daran erinnern, dass angesichts von Putin, Trump und Johnson nicht mehr viele Alliierte übrigen bleiben, uns noch mal aus der Scheiße rauszuhauen, wenn die Gesprächstherapie schief geht.

25 Sep 2019

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Hartmut El Kurdi

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