taz.de -- Agrarökonom über IPCC-Studie: „Lebensmittel kennzeichnen“

Die globale Ernährungssicherheit ist bedroht. Würde die geplante EU-Agrarreform die Landwirtschaft klimafreundlicher machen? Nein, meint Ökononom Sebastian Lakner.
Bild: Wie können sich Landwirte an den Klimawandel anpassen?

taz: Herr Lakner, die Erderwärmung bedroht laut Weltklimarat IPCC [1][immer stärker die globale Ernährungssicherheit]. Müssen wir in Deutschland Hunger fürchten?

Sebastian Lakner: Davon gehe ich nicht aus, weil wir genügend Kaufkraft haben, um unsere Ernteausfälle durch Importe zu kompensieren. Wir hatten 2018 einen Sommer mit extremen Dürren und einem sehr hohem Ernterückgang. Dennoch haben wir das an den Verbraucherpreisen und der Versorgungslage kaum gemerkt.

Werden Importe schwieriger, wenn weltweit die Ernten schrumpfen?

Unsere Kaufkraft wird das anders als in ärmeren Ländern auffangen. Bei uns müssen wir uns nicht um die Verbraucher, sondern um die Landwirte sorgen: Die haben wegen zunehmender Wetterextreme ein hohes Produktions- und Einkommensrisiko.

Wie können sie sich an den Klimawandel anpassen?

Viele konventionelle Landwirte gestalten zum Beispiel ihre Fruchtfolgen vielfältiger, sodass sie mehr Fruchtarten anbauen. So kann man das ökonomische Risiko mindern, wenn bestimmte Kulturen unter der Dürre leiden, andere jedoch nicht. Die Landwirte können auch mehr in Bewässerung investieren, aber Bewässerung kostet auch etwas, sodass man sich auf Kulturen konzentrieren sollte, bei denen die Investition lohnt. Und auch das hat natürlich Grenzen, weil bei einer starken Wasserentnahme irgendwann der Grundwasserspiegel in der Region sinkt.

Müssen wir [2][weniger Fleisch essen]?

Wenn man sich die Klimawirksamkeit von Fleisch anguckt, dann ist das schon eine Maßnahme, mit der man seine persönliche Klimabilanz verbessern kann.

Wie lässt sich erreichen, dass viele Menschen das tun?

Man könnte Lebensmittel danach kennzeichnen, wie viel Treibhausgasemissionen sie verursachen. Fleisch und Milchprodukte wie Butter und Quark haben recht hohe Werte. Der Staat sollte für so eine Kennzeichnung und damit für Markttransparenz sorgen, dann können die Verbraucher selbst entscheiden.

Würden die Vorschläge der EU-Kommission für eine Reform der Agrarsubventionen die Landwirtschaft klimafreundlicher machen?

Nein. Die Kommission will ausgerechnet das Budget um 27 Prozent kürzen, mit dem auch Klimamaßnahmen finanziert werden. Stattdessen will sie das meiste Geld weiterhin für Direktzahlungen ausgeben, die die Landwirte einfach pro Hektar und ohne große Umweltauflagen bekommen. Dieser Teil soll nur um 11 Prozent gekürzt werden. Insofern adressiert der Kommissionsvorschlag auch nicht die anderen Herausforderungen wie Verlust von Artenvielfalt und das Tierwohl.

Welche Maßnahmen sollte sie finanzieren?

Die EU sollte die Landwirte zum Beispiel dafür bezahlen, dass sie Wiesen und Weiden auf ehemaligen Moorstandorten wieder vernässen. Denn aus diesen Böden entweichen sonst große Mengen Treibhausgase. Deshalb lohnt es sich besonders, diese Emissionen zu senken.

8 Aug 2019

LINKS

[1] /Neue-Analyse-des-Weltklimarats/!5616719
[2] /Fleischkonsum-und-Klimawandel/!5614124

AUTOREN

Jost Maurin

TAGS

Schwerpunkt Klimawandel
Ernährung
Fleisch
Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
Landwirtschaft
Ökologischer Fußabdruck
Ökologischer Fußabdruck
Landwirtschaft
Landwirtschaft
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel

ARTIKEL ZUM THEMA

EU will Agrarsubventionen neu verteilen: Kleine Höfe kämpfen um großes Geld

Eigentümergeführte Betriebe seien umweltfreundlicher als anonyme Kapitalgesellschaften, sagen Bauern. Warum sie trotzdem nicht mehr Hilfe bekommen.

Logo für CO2-Bilanz von Lebensmitteln: „Klima-Kennzeichnung ist sinnvoll“

Einzelne Unternehmen kennzeichnen die CO2-Bilanz ihrer Produkte. Wichtig sind verpflichtende Standards, sagt die Lebensmittelexpertin Britta Schautz.

Petition für Lebensmittelkennzeichnung: Geld scheffeln mit CO2-Fußabdruck

Butter, Milch und Rumpsteak sind Klimasünder. Ein Unternehmen fordert, Lebensmittel mit ihrem CO2-Fußabdruck zu kennzeichnen.

Bedeutung der Bauern fürs Klima: Land ist wichtiger als Wirtschaft

Die EU setzt immer noch aufs falsche Pferd: auf Massentierhaltung, hohen Fleischkonsum, den Import von Futter. Das muss sich ändern.

Neue Analyse des Weltklimarats: Ohne Agrarwende kein Klimaschutz

Laut einem Bericht ist die Erderhitzung nur mit naturnaher Landwirtschaft zu stoppen. Bisher trägt der Agrarsektor zu stark zum Klimawandel bei.

Höhere Steuern auf Fleisch: Fürs Klima unverzichtbar

Fleisch muss teurer werden, um das Klima zu retten. Die Mehrwertsteuer auf den Klimakiller lässt sich so erhöhen, dass soziale Härten vermieden werden.

Fleischkonsum und Klimawandel: 12 Prozentpunkte mehr fürs Klima

Agrarpolitiker von CDU, SPD und Grünen fordern eine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch – auch aus ökologischen Gründen. Kann das klappen?