taz.de -- US-Prozesse wegen Krebs durch Glyphosat: Richterin senkt Strafe für Bayer AG
Die US-Tochter Monsanto soll „nur“ 87 Millionen Dollar an ein krebskrankes Ehepaar zahlen. Auch in dieser Höhe dürften die Prozesse teuer werden.
Berlin taz | In den US-Gerichtsverfahren wegen Krebs durch das Pestizid Glyphosat könnte Hersteller Bayer/Monsanto billiger davonkommen als bislang angenommen. Die kalifornische Richterin Winifred Smith senkte den [1][bisher höchsten Schadenersatz] für Glyphosat-Opfer in der Nacht auf Freitag von insgesamt rund zwei Milliarden auf 86,7 Millionen Dollar. Bayer bezeichnete das als „Schritt in die richtige Richtung“, will aber Berufung einlegen, weil der Schuldspruch aufrechterhalten wurde.
Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff und ein Symbol für die chemiegetriebene Landwirtschaft. In Europa wird diskutiert, den Unkrautvernichter zu verbieten. Das Gift tötet so gut wie alle nicht gentechnisch veränderten Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel und Insekten. Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr für die Artenvielfalt.
Der Bayer-Aktienkurs stieg nach Bekanntwerden des gesenkten Schadenersatzes am Freitag zunächst um rund ein Prozent. Allerdings hatte der Konzern seit den ersten Schuldsprüchen in Glyphosat-Verfahren im vergangenen Jahr rund 40 Prozent an Börsenwert verloren. Die Bayer-Aktie hat sich noch lange nicht erholt.
Das dürfte auch daran liegen, dass Bayer immer noch mit milliardenschweren Strafzahlungen rechnen muss. Zwar hatte auch in einem [2][anderen Verfahren] ein Richter in San Francisco den dort zugesprochenen Schadensersatz von gut 80 Millionen Dollar auf 25,3 Millionen Dollar reduziert. Doch auch er hielt den Schuldspruch aufrecht. Und nach wie vor sind mehr als 13.000 Klagen wegen Glyphosat anhängig. Selbst wenn nur die Hälfte der Kläger jeweils lediglich 25 Millionen Dollar erhalten sollte, wären das 162,5 Milliarden Dollar. Immer mehr Schuldsprüche erhöhen zudem den Druck auf die Politik, das Mittel zu verbieten.
Klägeranwalt spricht dennoch von „großem Sieg“
Den jetzt gesenkten Schadenersatz hatte eine Jury in Oakland im US-Bundesstaat Kalifornien im Mai dem Ehepaar Pilliod zugesprochen. Beide Senioren sind am Non-Hodgkin-Lymphom erkrankt und machen dafür das glyphosathaltige Monsanto-Produkt Roundup verantwortlich, das sie seit 1982 zur Unkrautbekämpfung nutzten.
Bayer erklärte jetzt, das Urteil entspreche nicht „der Beweislage in dem Verfahren“. Es stehe „im Widerspruch zu dem umfangreichen Bestand wissenschaftlich zuverlässiger Erkenntnisse und den Schlussfolgerungen führender Regulierungsbehörden weltweit“, teilte der Konzern mit.
Nun müssen die Pilliods entscheiden, ob sie den reduzierten Schadenersatz akzeptieren oder einen neuen Prozess wollen. Ihr Anwalt Brent Wisner bezeichnete die Entscheidung des Gerichts trotz des gesenkten Strafmaßes insgesamt als „großen Sieg“. Es war bereits der dritte Glyphosat-Prozess, den Bayer in den USA verloren hat.
In der Forschung ist die Frage, ob die in Roundup enthaltene Chemikalie Glyphosat eine krebsauslösende Wirkung hat, umstritten. Die US-Umweltbehörde EPA und auch die Aufsichtsbehörden in der EU und Deutschland gelangten zu dem Schluss, dass von Glyphosat keine Krebsgefahr ausgeht. Dagegen konstatierte die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) vor drei Jahren, dass Glyphosat „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ sei. (mit afp/dpa)
26 Jul 2019
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