taz.de -- Omaha-Ausstellung im Humboldt Forum: Gewinn für die Schloss-Attrappe
Das Humboldt Forum wird 60 Objekte der Omaha ausstellen. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit Vertretern der indigenen Nation.
Berlin taz | Es ist ein großer Glücksfall für das Humboldt Forum. Bei einem Werkstattgespräch sitzt Pierre Merrick auf dem Podium und sagt: „Natürlich sind die Objekte sehr weit weg von zu Hause.“ Nach einer Pause fügt er an: „Aber wir haben andererseits auch eine ganz andere Definition von Eigentum.“
Pierre Merrick ist ein Enkel des amerikanischen Ethnologen Francis La Flesche (1857–1932), der Ende des 19. Jahrhunderts im Auftrag des Berliner Museums für Völkerkunde, dem heutigen Ethnologischen Museum, 60 Objekte der Omaha, „seiner eigenen Kultur“, wie er sagte, gesammelt hat: Schuhe, Kleidung, rituelle Gegenstände wie Pfeifen. Diese Objekte befinden sich nach wie vor in der Sammlung des Museums. Ende 2020 sollen sie im Humboldt Forum 214 Quadratmeter Ausstellungsfläche bespielen.
Pierre Merrick ist einer der Angehörigen der indigenen Nation der Omaha, die vom Humboldt Forum gebeten wurden, bei einer Ausstellung über diese Sammlung mitzuwirken. Bei einem Werkstattgespräch für die Presse sprechen sie am Dienstagvormittag am ehemaligen Standort des Ethnologischen Museums in Dahlem darüber, wie sie die Zusammenarbeit mit dem Humboldt Forum bis jetzt beurteilen.
„Ich bin dankbar, diese Dinge in den Händen halten zu dürfen, denn viele davon existieren nur noch in unseren Erzählungen“, sagt Merick. „Was La Flesche für uns getan hat, ist von unschätzbarem Wert“, sagt auch Wynema Morris, Dozentin für Stammesgeschichte und -kultur am Nebraska Indian Community College. „La Flesche war ein Bewahrer. Er reflektierte eine Zeit des Übergangs, indem er Objekte für Zeremonien sammelte, die damals bereits im Verschwinden begriffen waren. Dies ermöglicht uns in unserer Forschung, in Richtungen zu gehen, von denen wir zuvor nicht einmal eine Ahnung hatten.“
Debatte um Provenienz
Diese Lust, mit dem Humboldt Forum zu kooperieren, wird sicher eine interessante Ausstellung generieren. Das ist ein Meilenstein, denn dem Humboldt Forum wird immer wieder vorgeworfen, sich in der Attrappe eines preußischen Schlosses nicht ausreichend um postkoloniale Fragen zu kümmern: etwa Dinge auszustellen, deren Provenienz noch lange nicht ausreichend erforscht sei.
Erst 2018 war in der Humboldt Box ein Vorgeschmack auf das Lautarchiv zu sehen, das ebenfalls im Humboldt Forum zu erleben sein wird. Zu den spektakulärsten Ausstellungsstücken gehörten Wachswalzen, die freiwillige Aufnahmen des Navajo-Ritualsängers Hosteen Klah (1867–1937) enthalten. Die Aufnahmen konnten in der Ausstellung nicht gehört werden.
Teile der Navajo betrachten ihre Zeremoniallieder als etwas, das man nicht konservieren kann. Sie sehen sie als konkrete Manifestationen höherer Mächte, die Außenstehenden sogar gefährlich werden können. Sie fordern die Zerstörung der Walzen. Auch die Omaha selbst haben in ihrer Geschichte schon Objekte zurückgefordert, die einfach zu zentral waren für ihr Selbstverständnis.
Bei der Ausstellung der Objekte der Omaha in Berlin könnte das nun anders werden. Der Versuch der Ethnologie, in den postkolonialen Diskurs einzutreten und mit Experten aus den Herkunftsländern ihrer Sammlungen partnerschaftlich und auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen, könnte gelingen.
Und das ist nicht selbstverständlich bei einem Volk, das bis heute Erfahrungen von Kolonialismus, Rassismus und Gewalt macht, das aufgrund der US-amerikanischen Assimilationspolitik täglich darum kämpft, seine Traditionen und seine Sprache lebendig zu halten. Am Ende des Podiums bringt es Wynema Morris herrlich einfach auf den Punkt. „Wir sprechen, und ihr hört zu.“
4 Jun 2019
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