taz.de -- Gastkommentar Kükenschreddern: Eier wegwerfen ist nicht besser
Statt Scheinlösungen braucht es eine andere, nachhaltigere Haltung mit Zwei-Nutzungs-Hühnern, kritisiert Silvia Bender vom BUND.
Einige Hühnerrassen setzen besonders gut Fleisch an, während andere sehr viele Eier legen: über 300 Eier pro Jahr. Diese Spezialisierung im Hühnerstall ist das Ergebnis einer rein auf Höchstleistung ausgerichteten Tierzucht. Wenn ein Masthuhn nach gut 35 Tagen geschlachtet wird, wiegt es etwa 2.100 Gramm. Ein Legehuhn bringt in derselben Zeit nur 500 Gramm auf die Waage. Ein solches Tier zu mästen, würde sich nicht lohnen. Deshalb ist es leider übliche Praxis, die männlichen Küken der Legehennen-Linien nach dem Schlupf zu identifizieren und zu töten. [1][Allein in Deutschland sind es jährlich bis zu 45 Millionen Tiere. EU-weit sind es über 300 Millionen Küken]. Völlig zu Recht steht diese Praxis des „Küken-Tötens“ in der Kritik und [2][derzeit vor Gericht].
Doch auch die diskutierte Alternative – das Aussortieren vor dem Schlüpfen – ist keine nachhaltige Lösung. Sollte die Diagnose ergeben, dass aus dem Ei ein männliches Küken schlüpft, dann würde das Ei nicht ausgebrütet. Es wird entsorgt. Der „Vorteil“ wäre folglich nur, dass nicht 45 Millionen männlicher Küken getötet, sondern 45 Millionen Eier im Müll landen würden.
Durch diesen technischen Ansatz wird die wichtige Systemfrage „Welche Art der Hühnerhaltung wollen wir?“ umgangen. Weiterhin würde eine auf Höchstleistung getrimmte Tierzucht überzüchtete Legehennen hervorbringen, die am Ende ihrer viel zu kurzen Lebenszeit von nur einem Jahr völlig ausgemergelt sind und ebenfalls geschlachtet werden.
Statt Scheinlösungen voranzubringen, brauchen wir dringend ein ganzheitliches Umdenken in der Tierzucht und Agrarpolitik. Eine echte Lösung wäre dagegen etwas ganz anderes: [3][Zwei-Nutzungs-Hühner.] Damit sind Rassen gemeint, bei denen weibliche Küken als Legehennen und männliche Küken als Masthähnchen gehalten werden können. Das ist nicht nur nachhaltiger, sondern auch besser für die Tiere: Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Zwei-Nutzungs-Hühner entspannter zu halten sind. Sie sind seltener krank und benötigen weniger Medikamente.
17 May 2019
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Mit dem Jahreswechsel dürfen männliche Küken nicht mehr geschreddert oder vergast werden. Ein Verbot, das wenig ändert, kritisiert Foodwatch.
Millionen Küken werden kurz nach dem Schlüpfen getötet, weil sie sich angeblich nicht rentabel verwerten lassen. Neue Methoden sollen das massenhafte Töten beenden.
Der Begriff „Vernunft“ ist zu einem Kantholz des Kapitalismus verkommen. Das zeigt das Urteil zum Kükenschreddern.
Nun steht fest: Männliche Hühnerküken dürfen nicht geschreddert werden. Doch das Urteil enttäuscht. Wann das Töten tatsächlich ein Ende hat, ist unklar.
Die millionenfache Tötung männlicher Küken ist auch weiterhin in Deutschland akzeptiert. Doch nur so lange, bis es Alternativen gibt.
Freude bei der Geflügelwirtschaft, Enttäuschung bei den Grünen: Das BVG-Urteil erlaubt das Töten männlicher Küken erstmal weiterhin.
Das Bundesverwaltungsgericht verbietet zwar das Töten frisch geschlüpfter männlicher Küken – gewährt jedoch eine Übergangsfrist.
Das Bundesverwaltungsgericht legt fest, ob das Töten männlicher Küken verboten werden kann. Wenn ja, gibt es lange Übergangsfristen.
Ob das Töten frisch geborener männlicher Küken nach deutschem Tierschutzrecht erlaubt ist, prüft heute das höchste Verwaltungsgericht.
Erste Supermärkte verkaufen Eier, für die dank neuer Technik keine männlichen Hühner sterben. Immer noch werden 44 Millionen weitere getötet.
Männliche Küken können in NRW weiter nach dem Schlüpfen getötet werden. Ein Gericht entschied, dass die Praxis nicht tierschutzwidrig ist.
Mit einer neuen Methode soll das Geschlecht bereits vor dem Ausbrüten bestimmt werden. Das Töten männlicher Küken soll bis 2017 überwunden werden.