taz.de -- „Fridays For Future“-Demo in Berlin: „Größer als die 68er“
Diesen Freitag kommt Greta Thunberg zum Klimastreik nach Berlin. Zwei AktivistInnen über die Bedeutung der Bewegung.
Franziska: „Ich befasse mich schon länger mit Klimapolitik. Wir haben 2017 im Ethikunterricht unseren CO2-Fußabdruck ausgerechnet. Der war relativ hoch: 11 Tonnen. Meine Eltern, die waren immer schon öko, hat das ganz schön bestürzt. Wir haben dann als Familie ein Jahr lang versucht, möglichst CO2-neutral zu leben – und meine Eltern haben darüber ein Buch geschrieben.
Dass ich jetzt bei FFF mitmache, macht meinen Vater, glaube ich, ziemlich stolz. Meine Eltern unterstützen mich voll, schreiben mir jeden Freitag eine Entschuldigung. Die wird zwar von der Schule nicht angenommen, aber das ist ja was anderes.
Ich habe inzwischen sehr, sehr wenig Zeit für Schule, muss ich gestehen. Aber ich hab Glück, ich bin halt gut. Dadurch können die Lehrer nicht so viel sagen – wenn ich Einsen habe oder mich mündlich beteilige. Wenn mein Schnitt dadurch ein bisschen runtergeht, ist das nicht so schlimm. Die Schule hat extra vor zwei Wochen meine MSA-Präsentation verschoben, weil ich da in Straßburg war bei EU-Politikern. Diesen Freitag habe ich auch eine Prüfung, die wurde auf 8 Uhr morgens vorverlegt, damit ich zur Demo kann. Das finde ich voll krass, denn eigentlich ist meine Schule eher gegen die Streiks.
Dass das Thema jetzt so abgeht, liegt vor allem an Greta. Wenn eine Person anfängt und zeigt, hey, das geht, dann machen viel, viel mehr Leute mit. Außerdem hat die Politik uns ganz lange alles verschwiegen und uns belogen. Eigentlich macht sie das immer noch. Die deutsche Regierung macht 120 Prozent zu wenig, um den Klimawandel zu stoppen. Dazu gibt es eine neue Studie, die das ausgerechnet hat. Aber das weiß keiner! Ich weiß das, weil ich mich mehr damit beschäftige, aber drei Viertel der Gesellschaft beschäftigt sich damit nicht.
Das Ding ist, dass der Klimawandel für uns in Deutschland noch ziemlich weit weg ist. In anderen Ländern ist der viel weiter, es gibt schon mehrere Millionen Klimaflüchtlinge auf dieser Welt. Da haben wir in Deutschland ein krasses Privileg, und deswegen erreicht das Thema viele hier noch nicht so. Ich glaube, dass sich das ändern muss – und dass dann bei ganz vielen Menschen die Angst kommen wird. Die Angst ist auch bei mir manchmal schon da: Wenn man weiß, so und so schlimm kann das wirklich werden.
Manche sagen ja jetzt, dass wir radikaler werden müssen, damit sich die Bewegung nicht totläuft. Ich fände das falsch: Ganz viele junge Menschen setzen sich gerade zum ersten Mal für etwas ein. Wir haben Drittklässler da, für die das schon krass ist, wenn sie freitags streiken gehen. Wenn wir noch extremere Positionen vertreten, schließen wir gleich wieder ganz viele Leute aus!
Manche sagen auch, es wird Zeit, dass wir konkrete Forderungen formulieren. Wir haben eine konkrete Forderung: das 1,5-Grad-Ziel vom Pariser Klimaabkommen einhalten – das ist konkret genug! Es ist nicht mein Job zu sagen, um diese Klimaziele einzuhalten, müsst ihr bis 2030 so und so viel Prozent Emissionen da und dort einsparen.
Von den Politikern kriegen wir jetzt oft zu hören: Ja, es wird was passieren, es wird sich was ändern. Trotzdem kommt bei mir auch Frust auf, weil man weiß, was der jetzt erzählt, klingt schön und gut, aber es wird trotzdem nicht umgesetzt. Wir waren zum Beispiel beim Bundestagsausschuss für Klimapolitik, hatten auch Gespräche mit Frau Schulze [Bundesumweltministerin, Anm. d. Red.], und ich glaube, die sind alle superfroh, dass sie uns haben. Weil sie jetzt sagen können, wir haben eine Menge junger Leute, die das wirklich mitträgt. Aber ehrlich gesagt, denke ich mir, hey, ich will nicht noch die nächsten drei Jahre auf die Straße gehen müssen, damit ihr was gebacken kriegt.“
Tommy: „Die Beschäftigung mit Klimapolitik hat bei mir so richtig angefangen mit dem Hambacher Forst. Mein Bruder und viele Freunde von mir sind da auch hingefahren. Ich war da leider nicht, habe damals eine Prüfung geschrieben – aber seitdem habe ich mir mehr Gedanken gemacht, wie wir mit unserer Umwelt umgehen. Es gibt dazu auch total interessante Filme, zum Beispiel „The Tipping Point“, wo erklärt wird, dass es einen Punkt gibt, ab dem es kein Zurück mehr gibt und wir auf die Erderwärmung keinen Einfluss mehr nehmen können.“
Meine Eltern finden es, glaub ich, nicht so prickelnd, dass ich in den letzten zwei Monaten nicht mehr freitags zur Schule gegangen bin, besonders, wo ich jetzt Abitur mache. Aber sie haben nie groß versucht, mir das zu verbieten.
Die Klimastreiks sind für mich das aktivistische Erwachen unserer Generation! Alle anderen Generationen hatten ihre Protestwelle – das ist unsere, und wir sind erst am Anfang! Ich habe großen Respekt vor der 68er-Bewegung – aber FridaysForFuture ist weitaus größer. Die 68er waren bis zu 10.000 StudentInnen in Westberlin – bei FFF sind alleine deutschlandweit schon über 300.000 Menschen gewesen, weltweit waren es am 15. März 1,6 Millionen. Und bei den 68ern gab es keinen richtigen Handlungszwang. Aber wir müssen etwas verändern. Wenn wir nichts verändern, werden wir in ein paar Jahren riesige Probleme haben.
Angst macht mir das aber nicht, dafür denke ich viel zu pragmatisch. Ich denke nicht, was könnte passieren, sondern was kann ich machen, damit es nicht passiert. Angst ist etwas, das mich davon abhalten würde und auch andere Menschen abhalten würde. Also wenn das irgendjemand liest: Hört nicht auf diese Ängste! Sitzt nicht apathisch in der Ecke und denkt: Oh nein, wir sind alle so am Arsch! Macht was! Nur dadurch können wir dafür sorgen, dass diese Ängste nicht Wahrheit werden.
Nur denke ich, es reicht nicht, der Politik das 1,5-Grad-Ziel vom Pariser Abkommen vorzuhalten. Sie haben das bislang ignoriert und sie werden es weiter tun, bis es zu spät ist. Ich denke, wir brauchen strukturelle Änderungen. Es gibt zum Beispiel die Forderung nach einem Wahlrecht für Jüngere oder nach Direktvertretung von Jugendlichen in Parlamenten. Damit es mehr direktdemokratischen Einfluss gibt auf die Politik und weniger Einfluss von VW, RWE und so.
Die größte Stärke von FFF ist: Menschen anzusprechen, die sich noch nicht so groß für Klimapolitik interessiert haben. Dass jetzt zum Beispiel viele Eltern mitmachen, ist wichtig: Die ParentsforFuture können bestimmen, ob die nächste Reise mit dem Flugzeug, dem Auto oder mit der Bahn gemacht wird. Sie bestimmen, wie viel Fleisch und ob Fleisch im Hause ist. Sie bestimmen, ob lokale Produkte gekauft werden, ob Plastik benutzt wird, wie geheizt wird – sie bestimmen den ganzen Konsum eines Haushalts. Und sie haben Einfluss auf die Wahlen. Wenn mein Vater sagen würde, wir kaufen kein Fleisch mehr oder schaffen das Auto ab, dann wäre das so – ich kann das nur vorschlagen. Leider ist meine Familie, was Umwelt angeht, noch nicht so weit.“
Protokoll: S. Memarnia
28 Mar 2019
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