taz.de -- Berliner Mietendeckel: Bisher nur eine Projektionsfläche
Beim Mietendeckel sind sich die Koalitionspartner mal einig, dann doch nicht. Nun sind bis zur Sommerpause Eckpunkte eines Gesetzesentwurfs geplant.
Wie steht es um den Berliner Mietendeckel? Eine Frage, die sich einerseits klar beantworten lässt. Auf dem Tisch liegen mittlerweile drei juristische Texte, die einen [1][Mietendeckel auf Landesebene für machbar] halten, und zwei, die dem widersprechen. Erst am Montag hat die [2][Berliner SPD mit einer euphorischen Pressemitteilung] ihr positives Gutachten bekannt gegeben.
Die einen sagen: Weil die Kompetenz für das Wohnungswesen im Zuge der Föderalismusreform 2006 vom Bund auf die Länder übergegangen ist, können Länder eine öffentlich-rechtliche Mietpreisdeckelung beschließen. Die anderen sagen: Einen Mietendeckel können Länder nicht beschließen, weil dieser Bereich vom Mietpreisrecht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, und weil es hier schon Bundesgesetze wie die Mietpreisbremse gibt. Weitere Gutachten sind nicht ausgeschlossen.
Zugleich lassen die Berliner Koalitionspartner keine Gelegenheit aus, ihre zustimmende Einigkeit für einen Mietendeckel in Berlin zu betonen.
Die Einigkeit täuscht – und die Klarheit über den Stand der Dinge endet genau hier. Wo es der Gutachten genug gibt, da setzt erst der politische Streit ein.
Ob ein landesrechtlicher Mietendeckel möglich ist, kann durch die Gutachten nicht abschließend geklärt werden. Ob der Mietendeckel den gegebenen Rechtsnormen standhält, wird sich erst dann zeigen, wenn ein konkretes Gesetz beschlossen wird – und die Mietendeckel-Gegner klagen. So argumentieren dieser Tage Berliner Sozialdemokraten. Sie fordern mehr Mut. Frei nach dem Motto: Probieren geht über Studieren. Deshalb kritisierte Julian Zado, stellvertretender Vorsitzender der Berliner SPD, die Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke), weil diese angekündigt hatte, eine Arbeitsgruppe für eine weitere rechtliche Prüfung zu gründen. Ein Zeichen für die große rot-rot-grüne Einigkeit in puncto Mietendeckel waren Zados Kritik und die Konter der Koalitionspartner nicht.
Weil sie ihre Besprechungsgrundlage zum Thema bei der Senatssitzung vergangenen Dienstag nicht vorstellen durfte – Lompscher soll den Tagesordnungspunkt nicht fristgerecht eingereicht haben –, tat die Bausenatorin dies an diesem Dienstag. Das Papier für die Senatssitzung der vergangenen Woche liegt der taz vor. Lompscher konstatiert darin, dass es widerstreitende Einschätzungen gebe, empfiehlt deshalb, eine Arbeitsgruppe einzurichten, welche „die verschiedenen Auffassungen im Rahmen von Fachgesprächen mit externem Sachverstand abwägt, um darauf aufbauend eine abschließende Empfehlung für den Senat vorzubereiten“. Neben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sollen dabei auch jene für Justiz und für Wirtschaft vertreten sein. „Das Ergebnis soll vor der Sommerpause in einer gemeinsamen Senatsvorlage dargestellt werden“, heißt es.
Am Dienstag dann wurde Lompschers Vorlage in der Senatssitzung diskutiert, der Senat hat sich für eine „rechtssichere Einführung eines Mietendeckels“ ausgesprochen und zugleich eine weitere „verwaltungsübergreifende“ Prüfung unter Federführung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angekündigt. Eckpunkte eines Gesetzesentwurfs und einen Zeitplan für das Gesetz will Lompscher bis zur Sommerpause vorlegen.
Zado, der im Januar gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Eva Högl einen Gastbeitrag im Tagesspiegel veröffentlicht und die Debatte angefeuert hatte, warnt davor, dass solche Arbeitsgruppen als Verzögerungstaktik genutzt werden könnten. „Es geht jetzt nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie: Es muss jetzt an einem konkreten Gesetz gearbeitet werden.“
Während Lompscher nochmal prüfen will und die SPD sich dagegen stellt, denken andere Politiker den Mietendeckel und andere wohnungspolitische Großvorhaben zusammen. Es stellt sich die Frage: Wie würde sich ein Mietendeckel auf das Enteignungsvolksbegehren auswirken? Könnte er das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ schwächen?
Die Linkspolitikerin Gaby Gottwald, Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen, plädiert für eine möglichst rechtssichere Grundlage für den Mietendeckel. Gleichzeitig denkt sie nicht, dass dieser das Volksbegehren ausbremsen würde. Im Gegenteil. Nach Gottwalds Vorstellung, könnte ein Mietendeckel den Marktwert der zu vergesellschaftenden Wohnungen senken – und eine Enteignung somit weniger kosten als gegenwärtig. Sie sagt: „Erst soll der Berliner Mietendeckel kommen, dann sollen Deutsche Wohnen und die anderen Großen enteignet werden.“
Zado von der SPD findet einen Mietendeckel besser als Enteignungen. Das erklärt möglicherweise auch seine Ungeduld. Er sagt: „Während der Versuch einer Enteignung wegen langwieriger Klagen Jahre in Anspruch nehmen wird, würde der Mietendeckel sofort nach Beschluss wirken.“ Der Regierende Bürgermeister und SPD-Vorsitzende Michael Müller hatte sich im Februar gegen Enteignungen ausgesprochen.
Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, möchte dagegen wie Gottwald „zweigleisig fahren“. Die Mieten zu bremsen helfe zwar, die Verdrängung aufzuhalten. Es gehe aber um mehr. „Genauso zentral ist es, den Einfluss auf den Wohnungsmarkt zurückzugewinnen“, sagt sie zum Thema Enteignungen.
Die Sticheleien der vergangenen Wochen könnten in einen wirklichen Streit münden, wenn die Debatte um den konkreten Mietendeckel nach der Absichtserklärung des Senats vom Dienstag endlich an Fahrt aufnimmt. Zado und seine Mitstreiter forderten etwa ein Einfrieren der Mieten für fünf Jahre – dies allerdings nur in Gebieten mit besonderem Mietanstieg, Neubauten ausgenommen. Andere wollen mehr.
Bisher aber ist der Mietendeckel vor allem eine Projektionsfläche – für parteipolitische Profilierung, Träume der Mieter und Albträume der Immobilienlobby.
19 Mar 2019
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