taz.de -- Debüt von International Teachers of Pop: Forschung und Leere

Das Synthpop-Trio International Teachers of Pop bringt den futuristischen Sound seiner Heimatstadt Sheffield mit den Verwerfungen des Brexit zusammen.
Bild: V.l.n.r: Adrian Flanagan, Leonore Wheatley und Dean Honer

Gibt es Romantischeres als einen Circuit-Bending-Workshop in South Yorkshire? Bei einem solchen informellen Tech-Meeting sind sich die drei MusikerInnen Leonore Wheatley, Adrian Flanagan und Dean Honer aus Sheffield über den Weg gelaufen, haben die Verkabelungen ihrer Effektpads gekappt, anders zusammengelötet und beschlossen, mit den dort gewonnenen Soundideen einen elektronischen Ohrwurm zu kreieren.

Daraus wurde „After Dark“, ein nachtschwarzer Dancebrecher aus dem untersten Tiefkühlfach des britischen Synthpop. Super eingängige Musik, bei der man das Warten in der Warteschleife des Lebens vergisst. Und die Botschaft kommt auch rüber: Euer Brexit zementiert unsere Prekarität, singen International Teachers of Pop. Die privatisierte Dienstleistungsgesellschaft Englands hat dazu geführt, dass sich die Menschen fühlen wie outgesourcte Facility Manager.

Weil die Synthesizer beim Schwirren, Klopfen und Rattern so traumhaft klingen, haben die drei MusikerInnen aus Nordengland neun weitere elektronische Popsongs zusammengeschraubt und das Projekt „International Teachers of Pop“ getauft. Wobei das Pop im Bandnamen kein Understatement ist, ihre Songs haben unaufdringlichen Appeal. Neben den elektronischen Sounds betören auch die Gesangsmelodien von Leonore Wheatley, International Teachers of Pop injizieren der Maschinenmusik damit die dringend benötigte Dosis Menschenwürde.

Den International Teachers of Pop geht es nicht um Lehre, sondern um die Erkundung ihrer eigenen DNA. Wissenschaft verlangt Genauigkeit: Alle drei haben schon ein Weilchen in der Sheffielder Popszene zugebracht, am weitesten ist Dean Honer mit dem Projekt The All Seeing I vorgedrungen, einem Trio, bei dem neben Honer auch Richard Barratt (alias Crooked Man) und Jason Buckle mitgemischt haben: Ende der Neunziger hat The All Seeing I einige Hits im Fahrwasser des Big-Beats-Hypes gelandet.

Das war International Teachers of Pop bisher noch nicht vergönnt und vielleicht geht es ihnen auch gar nicht um Instant-Erfolg. Eher klingen die Beats kleinteilig, zurückgenommen. „Oh Yosemite“ lässt die Drummaschine einer alten Hammondorgel pluckern, „Time for the Seasons“ erinnert an Snaredrum-Proto-House von 808 State. „The Age of Train“ ist dagegen ein strahlender Europop-Song, mit Giorgio-Moroder-Bassline. Wheatley singt darin von den Mühen einer berufstätigen Frau, die täglich an ihre Arbeitsstelle Hunderte Kilometer pendeln muss. Ein Schicksal, das Millionen BritInnen teilen, auch weil sie sich da, wo sie arbeiten, die teuren Mieten nicht mehr leisten können und in abgelegene Gegenden zum Wohnen ausweichen müssen.

Fragen nach dem beklagenswerten Zustand der britischen Gesellschaft – auf diesem Album werden sie ohne viel Gejammer und eher nebenbei, dafür sehr elegant beantwortet: Die Ausbeutung in der Arbeitswelt („On Repeat“) wird der privaten Verheerung („She walks in Beauty“) gegenübergestellt; die Mühen der Ebene des Alltags, das ewige Weiterwursteln, siehe auch: Und täglich grüßt das Murmeltier. Was die Vortragenden wurmt, wird in passgenaue Musik verwandelt.

Am Leben hält International Teachers of Pop ihr unbestechliches Geschichtsbewusstsein. Getreu dem Anfang ihres Bandnamens schaut das Trio immer über den Tellerrand nationaler Befindlichkeiten, gleichzeitig schöpft man auch aus dem Erfahrungsschatz lokaler Synthesizer-Urahnen aus der „Peoples Republic of Yorkshire“: Human League und ihrem alten Workingclass-Hit „The Dignity of Labour“ wird gleich mehrmals und völlig zu Recht die Ehre erwiesen. Ein stolzes Album!

21 Feb 2019

AUTOREN

Julian Weber

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