taz.de -- Kommentar Eltern-Wechselmodell: Zwang schadet nur den Kindern

Es gibt viele Ideen, wie sich die Betreuung gemeinsamer Kinder nach der Trennung regeln lässt. Doch im Einzelfall sollten Gerichte entscheiden.
Bild: Von einem Zuhause ins nächste: Im Wechselmodell pendeln Kinder zwischen Mutter und Vater

Residenzmodell, Nestmodell, Wechselmodell. Varianten der Betreuungs- und Umgangsformen für die gemeinsamen Kinder nach einer Trennung gibt es viele: die Kinder mehrheitlich bei einem Elternteil (Residenz), die Kinder bleiben in der Wohnung, die Eltern kommen wechselseitig dazu (Nest), oder die Eltern [1][betreuen die Kinder gleichermaßen] (Wechsel).

Wie Familien das lösen, hängt von vielen Faktoren ab: von Arbeitszeiten, Einkommen und dem Wohnort, vielfach aber von den Demütigungen und Kränkungen vor, während und nach der Trennung. Viele Betroffene dürften das kennen: Wer sich verletzt fühlt, will sich rächen – und das funktioniert am besten über die Kinder.

Dem Ex die Tochter vorenthalten, weil er sich bislang ja auch kaum gekümmert habe. Behaupten, das Kind sei krank, wenn der Vater es zum verabredeten Wochenende abholen will. Der Ex [2][keinen Unterhalt zahlen], weil sie das Kind nicht „rausrückt“. Für solche Fälle gibt es keine einfache Lösung.

Die kann auch nicht das Wechselmodell bieten, das manche Vätervereine und die FDP gesetzlich zum Regelfall erklären wollen. In der Konsequenz hieße das, dass Eltern sich in jedem Fall den Umgang teilen müssen, auf Teufel komm raus.

Nicht so einfach umzusetzen

Grundsätzlich ist es richtig, für einen annähernd gleichberechtigten Umgang zu sorgen. Jede Mutter und jeder Vater – mit Ausnahme gewalttätiger Eltern – haben ein Recht darauf. Alles andere ist unmenschlich, vor allem für die Kinder.

Aber so einfach lässt sich das nicht umsetzen, im Gegenteil: Ein gerichtlich angeordnetes paritätisches Modell, möglicherweise gegen den Willen eines Elternteils, dürfte die Fronten verhärten. Darunter leiden die Kinder, nicht selten werden sie für Elterninteressen missbraucht und fühlen sich im schlimmsten Fall schuldig am fortdauernden Streit zwischen Mutter und Vater.

Wollen Gerichte getrennten Eltern und ihren Kindern gerecht werden, sollten sie im Einzelfall entscheiden. Was spricht dagegen, später zum Wechselmodell zu finden, wenn sich das Paar nicht mehr in den Haaren liegt?

13 Feb 2019

LINKS

[1] /Familienministerin-und-Wechselmodell/!5445536
[2] /10-Jahre-Reform-des-Unterhaltsrechts/!5475570

AUTOREN

Simone Schmollack

TAGS

Scheidung
Erziehung
Kindererziehung
Franziska Giffey
Gender
Alleinerziehende

ARTIKEL ZUM THEMA

Kindererziehung nach Trennung: „Das Finanzamt benachteiligt Nestmodell-Eltern“

Nina Schick betreut ihre Kinder abwechselnd mit dem Vater in derselben Wohnung. Vor Gericht kämpft sie um den Steuervorteil für Alleinerziehende.

Unterhalt für Trennungskinder: Giffey will Väter besserstellen

Die Familienministerin will die Unterhaltsfrage neu angehen. Die aktuelle Regelung sei unzeitgemäß und bilde vielfach die Realität nicht mehr ab.

Wechselmodell bei Trennungskindern: Die Hälfte Mama, die Hälfte Papa

Die FDP-Bundestagsfraktion will, dass getrennt lebende Eltern ihre Kinder je zur Hälfte betreuen. Die Linke setzt auf die freiwillige Entscheidung.

Plädoyer für Männergleichstellungspolitik: Diese Lücke namens Mann

Unsere Gleichstellungspolitik ignoriert die Probleme von Männern. Das ist gefährlich, denn Antifeministen füllen das Vakuum.

Alleinerziehende über Demo in Berlin: „Kinder als politischer Streichelzoo“

Viele Alleinerziehende fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Bloggerin Fee Linke erklärt, warum sie am Samstag in Berlin auf die Straße geht.