taz.de -- Vierte Fahndung seit G20-Protesten: Hamburger Polizei fahndet öffentlich

Zum vierten Mal veröffentlicht die Polizei Fotos dutzender Verdächtiger. Die Hamburger Linken üben scharfe Kritik an der Fahndungsmethode.
Bild: Die Polizei veröffentlicht Fotos von Dutzenden G20-Demonstrant*innen

Hamburg/Berlin taz/dpa | Öffentliche Fahndung trotz Zweifel an der Rechtmäßigkeit: Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen beim G20-Gipfel 2017 in Hamburg hat die Polizei eine weitere Öffentlichkeitsfahndung gestartet. Sie veröffentlichte am Donnerstag auf ihrer Internetseite Fotos von 53 unbekannten Tatverdächtigen, darunter zwei Frauen.

Die von der Ermittlungsgruppe „Schwarzer Block“ gesuchten Menschen stünden im Verdacht, Straftaten „von erheblicher Bedeutung“ begangen zu haben, hieß es. Jede einzelne Ausschreibung sei auf Antrag der Staatsanwaltschaft von einem Amtsrichter genehmigt worden. Voraussetzung sei, dass eine vorhergehende interne Fahndung der Polizei erfolglos geblieben sei.

Die Hamburger Linkenabgeordnete und Bürgerschaftsvizepräsidentin Christiane Schneider übte Kritik. Allein die dafür notwendige Gesichtserkennungssoftware sei „rechtswidrig“. „Das lehnen wir entschieden ab“, sagte sie der taz. Damit schließt sich ihre Fraktion dem Hamburger Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar an, der einen Großteil der G20-Ermittlungen [1][als illegal bewertet].

Zudem kritisierte sie, dass es bislang noch kein Verfahren gegen der Gewalt beschuldigte Polizist*innen gebe. „Das ist so ein großes Ungleichgewicht, dass es schon zum Himmel schreit“, bemängelte sie.

Polizei bewertet Ergebnisse als positiv

Vor knapp einem Jahr hatten Polizei und Staatsanwaltschaft erstmals eine Öffentlichkeitsfahndung nach mutmaßlichen G20-Gewalttätern begonnen. Dabei wurde um Hinweise zu 107 Tatverdächtigen gebeten. Eine weitere Aktion mit 101 Fahndungsfotos folgte Mitte Mai. Im August stellten die Ermittler erneut Aufnahmen von 73 Gesuchten ins Internet. Zu vier der gesuchten Tatverdächtigen bittet Hamburgs Polizei seit September auch europaweit um Hinweise.

Insgesamt wurden damit innerhalb eines Jahres die Fotos von 334 Personen veröffentlicht. Allerdings hat die Polizei die Bilder der nicht identifizierten Tatverdächtigen aus den beiden ersten Aktionen inzwischen von ihrer Internetseite entfernt. Fotos von erkannten Personen müssen sofort aus der Fahndung genommen werden.

Die Ergebnisse der Fahndungsaktionen bewertet die Polizei als positiv. Normalerweise würden durch Öffentlichkeitsfahndungen nur zehn Prozent der Gesuchten identifiziert. Bei den G20-Ermittlungen sei die Quote sehr viel besser. Allerdings ist sie von Mal zu Mal deutlich gesunken. Konnte nach der ersten Veröffentlichung vor einem Jahr noch die Identität von 36 Prozent der mutmaßlichen Gewalttäter geklärt werden, waren es bei der zweiten Ausschreibung 25 und bei der dritten nur noch 18 Prozent. Wer die vier europaweit Gesuchten sind, ist immer noch unklar.

Die Ermittlungsgruppe „Schwarzer Block“ führt derzeit rund 3.500 Verfahren, die meisten gegen unbekannte Tatverdächtige. In 780 Fällen davon ermitteln die Beamten gegen etwa 880 namentlich bekannte Personen. Auch künftig sollen die Untersuchungen weitergehen. „Die G20-Straftäter dürfen sich nach wie vor nicht sicher fühlen. Wir werden die Ermittlungen mit Hochdruck auch im Jahr 2019 fortsetzen“, bekräftigte Pressesprecher Timo Zill.

Auch anderthalb Jahre nach den Gipfelprotesten ist kein Ende der Ermittlungen in Sicht. Nächste Woche beginnt vor dem Hamburger Langericht die [2][Hauptverhandlung gegen fünf Angeklagte], die an schweren Verwüstungen auf der Elbchaussee teilgehabt haben sollen. Für den Prozess sind Termine bis Mitte Mai geplant.

13 Dec 2018

LINKS

[1] /Streit-um-Gesichtserkennungssoftware/!5525240
[2] /Prozess-um-G20-Protest/!5553713

TAGS

Schwerpunkt G20 in Hamburg
G20-Prozesse
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
G20-Prozesse
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
G20-Prozesse
Der Hausbesuch
Schwerpunkt G20 in Hamburg
G20-Prozesse

ARTIKEL ZUM THEMA

Aus Gründen des Jugendschutzes: G20-Prozess ohne Presse

Im Verfahren um die Elbchaussee-Krawall-Demo während des G20-Gipfels in Hamburg schließt das Gericht die Öffentlichkeit aus.

Datenschützer über Gesichtserkennung: „Einstieg in die absolute Kontrolle“

Hamburgs Polizei soll ihre Gesichtserkennungs-Datenbank löschen. Das hat der Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar am Dienstag angeordnet.

Prozess um G20-Ausschreitungen startet: Demo-Recht ist in Gefahr

Mitgefangen, mitgehangen, so die Devise der Anklage im G20-Prozess um Ausschreitungen an der Elbchaussee. Vier Mit-Läufern drohen hohe Haftstrafen.

Der Hausbesuch: Aufräumen mit der Ohnmacht

Nach G20 wollte Rebecca Lunderup Hamburg wieder sauber fegen. 10.000 Leute halfen mit. Auch für den Bundespräsidenten stand ein Besen bereit.

Prozess um G20-Protest: Landgericht nicht hart genug

Hamburger Richter haben die U-Haft in einem G20-Prozess ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft hält sie nun für befangen.

Gericht rügt Polizei Hamburg: G20-Knast-Schikane war illegal

Die Ingewahrsamnahme von italienischen G20-Demonstranten war unrechtmäßig. So urteilte nun das Verwaltungsgericht.