taz.de -- Angst der AfD vorm Verfassungsschutz: Berliner werden Kameradenschweine

Aus Angst vor der Beobachtung distanziert sich der AfD-Landesverband von Kameradschaften und NPD. Der gemäßigte Landeschef steht in der Kritik.
Bild: Unter Beobachtung, aber bisher nur durch die Medien: AfD-Partei- und Fraktionschef Pazderski im Abgeordnetenhaus

Die Diskussion über eine mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz setzt auch den Berliner Landesverband der Partei unter Druck. „Wir nehmen das sehr ernst und schauen momentan, was wir tun können, um die Vorwürfe zu entkräften“, sagt Ronald Gläser, Sprecher der AfD Berlin. Bis Jahresende soll die Entscheidung über eine bundesweite Beobachtung der Partei fallen. Zuvor hatten 13 Landesämter des Verfassungsschutzes umfangreiche Dossiers über die AfD an das Bundesamt geliefert, darunter auch die Berliner Behörde.

„Unsere Strategie ist klarzustellen, dass alles, was die freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellt, keinen Platz in der AfD hat“, so Gläser zur taz. Insbesondere bedeute das, dass es „keine personellen Verbindungen in die rechtsextreme Szene geben“ dürfe. Deswegen habe der Landesvorstand beschlossen, aktiver dagegen vorzugehen, dass AfD-Mitglieder an rechtsextremen Veranstaltungen teilnehmen: „Vor rechtsextremen Veranstaltungen in Berlin wird es eine explizite Anweisung des Parteivorstands geben, dass die Teilnahme für AfD-Mitglieder verboten ist.“

Das sind andere Töne als früher: In der Vergangenheit hatte es auch in der Berliner AfD stets geheißen, die Teilnahme an rechtsextremen Demonstrationen „als Privatperson“ könne und wolle man niemandem untersagen. Das gelte nun nicht mehr, so Gläser.

Im Detail wird allerdings deutlich, dass der Sinneswandel weniger groß ist, als die AfD vermitteln möchte: Die neue Regelung, so Gläser, gelte für Veranstaltungen „von Kameradschaften und von der NPD“. Dass Kameradschaften oder die NPD selbst als Demonstrationsveranstalter auftreten, kommt in Berlin allerdings nur selten vor.

Trotzdem gibt es zahlreiche Gelegenheiten, bei denen rechtsextreme Aktivisten und AfD-Mitglieder zusammen demonstrieren können, etwa bei Veranstaltungen von Bärgida oder der Identitären Bewegung. Für diese gilt der Beschluss aber nicht, wie Gläser auf Nachfrage bestätigt.

Auf Bundesebene hatte die AfD im September den Einsatz einer parteiinternen Task Force beschlossen, die Strategien gegen eine Beobachtung entwickeln soll. Die Angst vor dem Verfassungsschutz ist in der AfD nicht nur deswegen groß, weil eine Beobachtung bürgerliche Wähler abschrecken könnte, sondern auch, weil die vielen Beamten und Angestellten des öffentlichen Diensts in der Partei von einer Beobachtung Nachteile befürchten müssen.

Der Berliner Parteivorsitzende Georg Pazderski gehört in der AfD zu jenen, die eher auf eine Koalition mit der CDU – sprich Regierungsbeteiligung – als auf den offenen Schulterschluss mit Rechtsextremen setzen. Sein Kurs ist allerdings innerhalb des Landesverbands umstritten: Im einflussreichen Marzahner Kreisverband etwa ist der für seine ultranationalistischen Positionen bekannte thüringische Fraktionsvorsitzende Björn Höcke ein gern gesehener Gast. Von dort ins Abgeordnetenhaus eingezogene PolitikerInnen wie Gunnar Lindemann oder Jeannette Auricht machen keinen Hehl daraus, dass sie von Pazderskis Linie wenig halten.

Für deren Forderung, auch die Berliner AfD dürfe sich nicht nur auf die parlamentarische Arbeit beziehen, sondern müsse auch auf der Straße Präsenz zeigen, bieten die aktuellen Umfragewerte Schützenhilfe: Während sich die bewegungsorientierte Brandenburger AfD über Zustimmungswerte von mehr als 20 Prozent und damit den Spitzenplatz neben der SPD freuen darf, konnte die Berliner AfD seit der Abgeordnetenhauswahl 2016 nicht zulegen und bewegt sich momentan in den Umfragen bei etwa 12 Prozent.

Kein Wunder, dass Maßnahmen wie der Fraktionsausschluss der Marzahner Abgeordneten Jessica Bießmann, die auf Fotos neben Weinflaschen mit Hitler-Konterfei posiert hatte, nicht nur auf Gegenliebe stoßen: „Ohne die überzogene Diskussion über den Verfassungsschutz hätte es diesen völlig übereilten Beschluss nicht gegeben“, sagt ein Berliner AfD-Politiker, der damit aber nicht namentlich zitiert werden will – offiziell ist zum Ausschluss Bießmanns Stillschweigen vereinbart.

Gegen Bießmann wurde im Oktober ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet. Seit Mitte November läuft nach Angaben der AfD außerdem eins gegen den Abgeordneten Andreas Wild. Dieser war bereits im Juli 2017 aus der Fraktion ausgeschlossen worden, Anlass für einen Parteiausschluss hatte man damals aber noch nicht gesehen.

Auch einige Landesverbände der Jungen Alternative (JA), des Jugendverbands der AfD, wurden bereits von der Partei ausgeschlossen. Für die Berliner Gliederung gilt das indes nicht. Allerdings gab es auch hier in der Vergangenheit zahlreiche Vorfälle, die auf eine enge Verbindung zu rechtsextremen Organisationen wie der Identitären Bewegung schließen lassen.

Zuletzt war die Situation vor einem Jahr eskaliert, als die Berliner AfD den frisch gewählten Vorstand der Jugendorganisation zum Rücktritt zwang. Der Grund: Der Nachwuchs hatte den ehemaligen JA-Schatzmeister Jannik Brämer erneut in den Vorstand gewählt, obwohl gegen ihn bereits ein Parteiausschlussverfahren lief, weil er bei einer Aktion der Identitären Bewegung in Berlin das Auto gesteuert und dabei beinahe einen Zivilpolizisten umgefahren hatte.

Brämer ist heute also nicht mehr im Vorstand, andere Berliner JA-Funktionäre, die in der Vergangenheit an Demonstrationen der Identitären Bewegung teilgenommen haben, hingegen schon. Ronald Gläser ist sich trotzdem sicher: „Es gibt keine personellen Verbindungen zwischen der Identitären Bewegung und der Jungen Alternative Berlin.

Die Junge Alternative Berlin ist ein absolut sauberer Laden.“ Ähnlich hatte sich zuvor bereits der Berliner Abgeordnete und ehemalige JA-Vorsitzende Thorsten Weiß geäußert, der die Junge Alternative Berlin als „Vorzeigeverband“ bezeichnet hatte.

7 Dec 2018

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Malene Gürgen

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