taz.de -- Geschwister-Scholl-Preis für Götz Aly: Streitbarer Historiker

Der renommierte NS-Forscher Götz Aly bekommt den Geschwister-Scholl-Preis. Er war früher auch einmal taz-Redakteur.
Bild: Aly bezeichnet das NS-Regime als „Gefälligkeitsdiktatur“: Breite Teile der Bevölkerung profitierten

Der Historiker und Autor Götz Aly wird am Montagabend in München mit dem Geschwister-Scholl-Preis ausgezeichnet. Aly wird für sein jüngstes Buch „Europa gegen die Juden. 1880 – 1945“ geehrt, in dem er über die Bedingungen und Ursachen des Holocaust schreibt.

Aly, 1947 in Heidelberg geboren, gehört zu den diskursfreudigsten Autoren der 68er-Generation. Der [1][frühere taz-Redakteur] löste mit seinen Thesen zur Rationalität des Holocaust 1991 eine größere Debatte aus. Zusammen mit Susanne Heim rückte er in dem Buch „Vordenker der Vernichtung“ wirtschaftliche und bevölkerungspolitische Motive in den Mittelpunkt. Ohne diese, so die beiden Autor*innen, sei der Holocaust nicht zu verstehen. 1995 erschien Alys Buch „Endlösung“, [2][2005 „Hitlers Volksstaat“].

Aly bezeichnet das nationalsozialistische Regime grundsätzlich als eine „Gefälligkeitsdiktatur“, von der breite Teile der Bevölkerung profitierten. Diese waren aktiv beteiligt gewesen, hatten sich fürsorglich umhegen und einbinden lassen. Auch in seinen späteren Büchern „Warum die Deutschen? Warum die Juden?“ (2011) hebt Aly einen spezifisch deutschen Sozialneid hervor, der für die Ausbildung von Hass und Vorurteilen gegenüber jüdischen Deutschen eine treibende Rolle spielte.

In [3][„Die Belasteten“ (2013) untersuchte er die aus dem medizinischen Apparat heraus begangenen 200.000 Euthanasie-Morde] während der deutschen Nazi-Herrschaft. Aly gehört auch zu den Initiatoren der auf 16 Bänden angelegten Quellenedition „Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933 – 45“. Von 2002 bis 2010 war er einer ihrer Mitherausgeber. Zehn Bände sind bereits erschienen.

Aly spitzt gerne zu. Der 68er-Bewegung hielt er 2008 totalitären Tendenzen vor. Der zeitgenössischen Kolonialismuskritik, dass sie die Hitler- und Nazi-Verehrung vieler (post-)kolonialer Gesellschaften verschweige. Der bayrische Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Stadt München übergeben dem 71-Jährigen den mit 10.000 Euro dotierten Geschwister-Scholl-Preis am Montag-Abend in der großen Aula der Ludwig-Maximilians-Universität.

19 Nov 2018

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AUTOREN

Andreas Fanizadeh

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