taz.de -- Barbara John zu Kirche und Abtreibungen: „Wir sind gegen die Stigmatisierung“

Der Katholische Deutsche Frauenbund Berlin richtet sich mit einer Petition an Papst Franziskus. Kritisiert wird sein Vergleich von Abtreibungen mit Auftragsmorden.
Bild: Wie wird der Papst wohl reagieren?

Mit dem Berliner Diözesanverband des Katholischen Deutschen Frauenbundes haben Sie 30.427 Unterschriften für die [1][Online-Petition „Papst Franziskus: Abtreibung ist kein Verbrechen“] gesammelt. Haben Sie mit so viel Unterstützung gerechnet?

Ja, schon. Das zeigt einfach, dass viele Menschen unsere Haltung teilen: Die Petition setzt sich nicht für Abtreibung ein, sondern gegen die Anmaßung des Papstes, Frauen, die eine selbstverantwortete Gewissensentscheidung für eine Abtreibung treffen, als Verbrecherinnen zu stigmatisieren und zu verdammen.

Gab es zu der Petition auch negative Reaktionen [2][zum Beispiel von sogenannten Lebensschützern]?

Wenige, und die waren auch willkommen. Das Thema ist nun mal polarisierend. Aus Erfahrung wissen wir, dass Frauen schon immer in Notlagen abgetrieben haben, unabhängig davon, ob es straffrei war oder nicht. Dennoch ist es gut, dass es Frauen gibt, die alles versuchen, um eine Abtreibung zu vermeiden und es auch schaffen. Aber was ist mit den anderen? Brauchen sie keine Hilfe, weil sie es in ihrer spezifischen Notlage nicht schaffen? Sollten sie verurteilt werden ausgerechnet von einer Institution, die seit Jahrhunderten ein überholtes Frauenbild konserviert? Die nicht verstehen will, dass Frauen durch ihre Biologie und andere Abhängigkeiten oft einem Entscheidungsdilemma ausgesetzt sind und damit fertig werden müssen?

Was ist seitdem passiert? Haben Sie die Petition jetzt an den Papst geschickt?

Nein, darüber werden wir im Vorstand noch sprechen. Aber der Berliner Erzbischof, Heiner Koch, hat sich kritisch dazu geäußert und wir werden bald ein Gespräch mit ihm führen. Dabei werden wir auch betonen, dass katholische Schwangerschaftsberatungen besser unterstützt werden müssen. Aktuell müssen die Stellen 20 Prozent ihrer Ausgaben aus Eigenmitteln bezahlen. Das können sie kaum schaffen. Aber auch die Richtung der Beratung dort muss sich auch ändern. Beispielsweise sind Frauen mit Kinderwunsch ohne Ehepartner von der Beratung ausgeschlossen.

Wie ist es überhaupt zu der Petition gekommen?

Ein wenig hat der Papst selbst den Anstoß dafür gegeben, dadurch dass er im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche die große Autorität und die Unantastbarkeit des Klerus in der Kirche kritisiert hat. Dabei haben auch die Laien einen großen Anteil. Sie kuschen und schweigen zu oft. Das muss sich ändern und Frauen könnten eine Vorreiterrolle spielen. Zu verlieren haben sie gar nichts.

Steht der KDFB Berlin denn in finanzieller Abhängigkeit zum Beispiel von der Deutschen Bischofskonferenz und gibt es bei besonders papst-kritischen Äußerungen dann Probleme?

Wir stehen in keiner solchen Abhängigkeit. Aber es stimmt schon: Kritik und Konflikte, die nötig sind, um auf Missstände hinzuweisen, werden oft durch diese hierarchischen Strukturen und Abhängigkeiten in der Kirche verhindert.

2 Nov 2018

LINKS

[1] https://www.change.org/p/papst-franziskus-abtreibung-ist-kein-verbrechen
[2] /Lebensschuetzer-gegen-Berliner-Bistum/!5503614

AUTOREN

Juliane Fiegler

TAGS

Papst Franziskus
Frauen
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
Schwerpunkt Abtreibung
sexueller Missbrauch
EVP
Katholische Kirche

ARTIKEL ZUM THEMA

Konsequenzen aus Missbrauchsstudie: „Innerkirchliche Strukturen ändern“

Das Bistum Hamburg geht mit gutem Beispiel voran und legt seine Daten zum sexuellen Missbrauch in der Diözese vor. Ob nun wirklich Reformen folgen, muss sich zeigen.

„Marsch für das Leben“ in Berlin: Auf dem Kreuzzug

AbtreibungsgegnerInnen sind in Europa gut vernetzt. Sie profitieren auch vom Erfolg rechtspopulistischer Parteien.

Betroffener über Missbrauch in der Kirche: „Die Kirche muss zuhören lernen“

Matthias Katsch, Gründer der Betroffeneninitiative „Eckiger Tisch“, fordert: Schluss mit dem Zölibat und anderen überkommenen Sexualvorstellungen der Kirche.