taz.de -- Werder Bremen gegen AfD-Fans: Keine Dauerkarte für Rechtsaußen?
Werder-Präsident Hess-Grunewald drohte einem AfD-Sympathisanten, die Dauerkarte wegzunehmen und ruderte nach Empörung wieder zurück.
Bremen taz | Werder Bremens Vereinspräsident Hubertus Hess-Grunewald hat einem AfD-Sympathisanten indirekt mit dem Entzug seiner Dauerkarte gedroht. Der Mann war aus dem Verein ausgetreten, nachdem Hess-Grunewald [1][in einem Interview] mit dem Weser-Kurier gesagt hatte, dass es schon ein Widerspruch sei, „Werder gut zu finden und die AfD zu wählen“. Das ehemalige Vereinsmitglied hatte sich in einer persönlichen Mail beim Vereinspräsidenten über dessen Haltung empört, schrieb aber, dass es seine Dauerkarte behalten wolle. Hess-Grunewald hatte in seiner laut Werder mehrseitigen Antwort geschrieben, dass man sich mit diesem Wunsch noch intensiv beschäftigen werde. Tatsächlich seien ein paar Mitglieder nach der Äußerung ausgetreten.
Es sei nicht auszuschließen, dass man in Zukunft Dauerkarten nur noch an Vereinsmitglieder ausgeben werde, so der Werder-Präsident. Man werde sich ernsthaft mit der Frage beschäftigen, „ob wir bei der hohen Nachfrage nach Dauerkarten von Menschen, die sich – anders als Sie – mit Werder Bremen und unseren Werten identifizieren, für die kommende Saison wieder eine Dauerkarte anbieten. Dafür haben Sie sicher Verständnis!“, schreibt Hess-Grunewald.
Hatte der Adressat aber nicht: Der Dauerkartenbesitzer petzte bei Springer und leitete den Mail-Verlauf an die Welt weiter, die den Fall sogleich als Beispiel [2][übermäßiger politischer Korrektheit auslegte] und den sportpolitischen Sprecher der AfD-Fraktion herbeirief, damit dieser sich ausführlich in seiner Opferrolle suhlen konnte. Tenor: Werder sei intolerant, wenn die AfD ausgeschlossen würde.
Tatsächlich hat Hess-Grunewald schon im Interview mit dem Weser-Kurier gesagt, dass er niemanden, auch keine AfD-Anhänger oder -Wähler, aus dem Stadion ausschließen wolle. Im Gegenteil wolle er dazu einladen, in Dialog zu treten. Weite Teile der Werder-Fans und des Vereins hätten eine weltoffene Haltung und angesichts des gesellschaftlichen Rechtsrucks sei es an der Zeit, sich die eigene Position klar zu machen.
Fußball und Sport seien niemals unpolitisch, so der Werder-Präsident, der sich auch schon [3][im taz-Interview darüber gefreut hatte], dass keine Neonazis mehr die Kurve verunsichern und dort ihre rassistischen Haltungen ausleben könnten. Viele Fans der Werders Ultra-Szene verorten sich links und sind antifaschistisch organisiert.
Darüber hinaus sprach Werder angesichts der sehr gespaltenen Reaktionen am Dienstag von einer „irreführenden Berichterstattung“ der Welt: „Die zitierten Aussagen wurden aus dem Zusammenhang gerissen und beziehen sich auf diesen konkreten Einzelfall“, sagte Hess-Grunewald in einer Stellungnahme. Zu den Details wollte er sich nicht weiter äußern, wiegelte aber ab: Keinesfalls stehe es auf der Agenda, die Dauerkarten-Vergabe grundsätzlich zu verändern, und AfD-Sympathisant*innen, die ausgetreten sind, die Dauerkarten wegzunehmen.
Gleichzeitig beharrte Hess-Grunewald „bei aller satzungsgemäßen politischen Neutralität“ auf Werten wie Solidarität, Humanismus und dem Kampf gegen Rassismus und für Integration. Man sei es allen zu Werder gehörenden Mannschaften, die aus Menschen vieler Nationen bestünden, schuldig, sich für eine freiheitliche und tolerante Zivilgesellschaft einzusetzen.
Tatsächlich verkaufen bereits einige Fußballklubs wie etwa der VfB Stuttgart oder der Zweitligist Union Berlin eine Dauerkarte nur an Vereinsmitglieder. Das hat allerdings vor allem kommerzielle Gründe: mehr Mitgliedsbeiträge angesichts hoher Nachfrage. Politisch hat das bislang niemand begründet.
Eine Debatte gab es Anfang des Jahres bereits darüber, ob es möglich oder sinnvoll sei, AfD-Mitglieder ganz aus dem Verein auszuschließen. Beim Hamburger SV gab es einen Antrag darauf auf der Mitgliederversammlung, der viel Getöse bei der Hamburger AfD-Fraktion verursachte und schließlich scheiterte.
Ähnliche erfolglose Versuche unternahm der Vereinspräsident von Eintracht Frankfurt, Peter Fischer. Schon vor vier Jahren hatte er in einem [4][Interview mit dem Fußballmagazin 11 Freunde] gesagt: „Das braune Pack sollte jede anständige Kurve selbstständig aus dem Block prügeln. Das haben wir früher so gemacht, das wird in Frankfurt heute noch so gemacht.“ Auch er drängte darauf, AfD-Mitglieder auszuschließen. Das scheiterte, aber bei einer Mitgliederversammlung Anfang des Jahres betonte Fischer erneut, dass rechte Ansichten der AfD der Vereinssatzung widersprächen und wurde mit 99 Prozent wiedergewählt.
Der Sportphilosoph Elk Franke von der Uni Bremen hatte [5][in der Debatte vorgebracht], dass es zwar begrüßenswert sei, wenn Vereine gesellschaftspolitische Verantwortung übernähmen. Allerdings sei es ein unangebrachtes Signal, aufgrund formaler Mitgliedschaften Ausgrenzungsbeschlüsse zu fassen. „Dadurch werden Märtyrer geschaffen“, so Franke. Man müsse sich eher einer inhaltlichen Diskussion stellen und auf das reagieren, was sich in den Stadien abspiele.
9 Oct 2018
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