taz.de -- Die Wahrheit: Das geheime Leben der Zecken
Manche Tiere sind nicht hoch in der Gunst des Menschen angesiedelt. Aber weiter unten ist für parasitäre Insekten immer ein Plätzchen frei.
Es gibt Tiere, die hat man spontan gern. Katzen, Kolibris, diese blinkenden Fische aus Tiefseedokus. Und dann gibt es die, bei denen braucht es einen zweiten oder dritten Blick. Meinetwegen einen vierten. Eben solche Tiere, die noch nie hoch in der Gunst des Menschen angesiedelt waren. Hier ist der Platz der Zecke, neben anderen vermeintlich unsexy Tieren wie Spulwürmern und Wanzen.
Dabei haben Zecken durchaus sympathische Züge, weshalb ich die Gelegenheit nutzen möchte, heute und an dieser Stelle eine Lanze für sie zu brechen. Zugegeben, ein bisschen geschüttelt hat es mich ja auch, als ich unlängst zum ersten Mal das Bild einer Hyalomma gesehen habe, jener neu in Deutschland entdeckten Riesenzecke. Motto: Jetzt noch größer, mit noch besseren Krankheiten! Ein wenig gewöhnen muss man sich halt an die gemeine Zecke.
Dann aber ist sie ein faszinierendes Tier, von dem wir doch einiges lernen können. Etwa, dass es Körpergegenden gibt, denen man beim Waschen zu wenig Beachtung schenkt. Oder aber wie beneidenswert lässig man in Zeiten des Turbokapitalismus existieren kann. Jeder sollte sich da selbst einmal fragen, wann er das letzte Mal einen Tag im Grünen verbracht hat, einfach in Ruhe in der Wiese gesessen ist und sich dann nach Herzenslust auf ein Wandererbein gestürzt hat, um sich daran festzubeißen. Es dürfte eine Weile her sein.
Zudem sind Zecken sehr genügsam. Sie wohnen in Achselhöhlen, Unterhosen oder zwischen dem großen Zeh und dem Zeh daneben. So leben sie seit Jahrtausenden schon unbeachtet im Schatten der Menschen, ohne weiter aufzufallen oder Lärm zu machen. Eben exakt so, wie man es sich von Mitmenschen oder Mitbewohnern wünscht. Laut Bücherbestsellerlisten fühlen wir uns aber lieber in Bäume ein, in Fische, ja gar in Pilze. Nur für die kleinen Krabbeltiere, die auch noch stets unsere Nähe suchen, hat keiner etwas übrig.
Doch sind Zecken ebenso Teil dieses viel beschriebenen Ökosystems, in dem sich alles auf gar magische Art wechselseitig beeinflusst und reguliert. Teil des Wunderwerks Natur, in dem jedes Tierchen und jede Pflanze ihre Aufgabe haben. Und der Job der Zecke ist es nun mal, Gift in den menschlichen Organismus zu spritzen und die Menschen mit qualvollen Krankheiten dahinzuraffen.
Das klingt erst mal ein wenig unhöflich – oberflächlich betrachtet. Aber wer kann nach einem Blick auf den Status quo unserer Welt (siehe die aktuellen Bestsellerlisten – zur Erinnerung: Einfühlen in Bäume, Fische oder Pilze) noch ernsthaft etwas dagegen einwenden? Bis die Zecken eines Tages endlich für Ruhe auf unserem Planeten gesorgt haben werden, könnte der Mensch einmal richtig handeln und sie aufnehmen und unterstützen, statt sie ständig zu zupfen. Denn wenn wir aus all diesen Naturschmökern etwas lernen können, dann doch das: Die Natur weiß immer genau, was sie tut!
24 Aug 2018
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