taz.de -- Halbfinale Kroatien – England: Eine neue Goldene Generation

Kroatien schlägt England 2:1 und zieht damit zum ersten Mal überhaupt in ein WM-Finale ein. England könnte immerhin noch Dritter werden.
Bild: Mario Mandžukić aus Kroatien bejubelt sein Tor zum 2:1

Die Voraussetzungen: „Es gibt viel zu verlieren, du kannst nur gewinnen“, sang Herbert Grönemeyer im Jahr 1998. Es ist auch das Motto dieses Abends. Beide Teams wollen nahezu unbekannte oder vergessene Höhen erklimmen – und tragen dabei einen schweren Rucksack mit sich herum. [1][Die aktuelle kroatische Mannschaft] um Luka Modrić, Ivan Rakitić, Ante Rebić und Mario Mandžukić will die Goldene Generation um Davor Šuker aus dem erwähnten Jahr 1998, als Kroatien bei der WM in Frankreich den dritten Platz erreichte, endlich zur Silbernen Generation machen.

Und die [2][Engländer wollen einfach wieder bei einem großen Turnier ein Endspiel erreichen]. Die letzte Finalteilnahme liegt schließlich schon ein bisschen zurück: 1966 in England war das. Der letzte größere Erfolg der Three Lions war die Halbfinalteilnahme bei der EM 1996, ebenfalls in England. Damals scheiterte die Mannschaft im Elfmeterschießen an Deutschland. Der heutige englische Trainer Gareth Southgate wird sich vermutlich dran erinnern.

Das Ergebnis: 2:1 n. V. (1:1, 0:1)

Das Spiel: 5. Minute: Freistoß, zentrale Position, 20 Meter vor dem kroatischen Tor. Bis zu diesem Spiel hatte England 8 von 11 Toren bei dieser WM nach Standards erzielt, Kieran Trippier läuft an – und schon sind es 9 von 12. 1:0 für England. Die Briten versuchen es fortan weiter mit Standards, was ganz gut klappt. Kroatien versucht es mit gepflegtem Ballspielen, was gar nicht klappt. Die Lücken sind zu groß, die Ballverluste zu schnell, die verursachten Fouls zu tumb. Und so sind es die Engländer, die immer wieder zu größten Chancen kommen (30. Minute: Harry Kane, 36.: Jesse Lingard), diese aber nicht nutzen. 1:0 zur Pause.

Die zweite Hälfte läuft lange genauso wie die erste, nur ohne gefährliche Standards – und deshalb ohne Tore für England. Ansonsten macht England weiter viel richtig, spielt schnell nach vorne, kommt zu Abschlüssen – und Kroatien macht viel falsch. Bis … ja, bis zu 65. Minute, in der Ivan Perisić – aus aussichtsreicher Position nicht das Tor, sondern nur Kyle Walkers „Familienplanung“ (O-Ton von ZDF-Reporter Oliver Schmidt) trifft. Nur drei Minuten später ist es wieder Perisić, der eine Flanke von Rechtsverteidiger Šime Vrsaljko zum 1:1 ins Tor schießt (der Beweis, das bei diesem Turnier auch Tore aus dem Spiel heraus erzielt werden).

Wieder nur drei Minuten später trifft der Ex-Borusse aus spitzem Winkel nur den Pfosten. Jetzt hat das Momentum gewechselt: Plötzlich sind es die Engländer, die den Ball ständig verlieren und sich glücklich schätzen können, nicht zurückzuliegen. Doch es passiert nichts mehr. 1:1. Verlängerung.

In der Verlängerung klärt Vrsaljko einen Kopfball von Englands John Stones knapp vor der Linie (99.). Es wäre das zehnte von 13 Toren nach Standards für England gewesen. Wäre, wäre, Fahrradkette. Auf der anderen Seite hält Englands Torhüter Jordan Pickford herausragend gegen Mandžukić (105.+2).

Doch solch eine Chance lässt Mandžukić nur einmal liegen: In der 109. Minute landet ein Kopfball eher zufällig bei ihm im Strafraum, Mandžukić schirmt den Ball ab – und ballert ihn aus sieben, acht Metern mit links ins lange Eck. In den folgenden neun Minuten schaffen es die Kroaten tatsächlich für vier Minuten Nachspielzeit zu sorgen, doch von England – mittlerweile in Unterzahl, weil sich Trippier verletzt, Southgate aber schon vier Mal gewechselt hat – kommt nichts mehr.

Die Pfiffe des Spiels: … gelten Domagoj Vida. Immer wenn der kroatische Innenverteidiger an den Ball kommt, schallt ihm laute Ablehnung entgegen. Vida, lange in Diensten von Dynamo Kiew, hatte [3][den Viertelfinalsieg seiner Kroaten gegen Russland dem ukrainischen Volk gewidmet]. Das kommt nicht so gut an im WM-Gastgeberland. Und bei der Fifa auch nicht. Die hatte ihn zu einer Geldstrafe verdonnert.

Und nun? Hat Kroatien eine neue Goldene Generation – und ein Finale gegen Frankreich vor sich. England kann immerhin noch Dritter werden. Ist doch auch was. Zwinker, zwinker.

11 Jul 2018

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AUTOREN

Jürn Kruse

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