taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Berlin, Glasgow, Zukunft

Die European Championships rücken olympische Sportarten ins Rampenlicht: Das ist eine riesige Chance, die man bloß erkennen muss.
Bild: Großer Sport soll vor der Berliner Gedächtniskirche stattfinden

Berlin soll die Wende bringen, irgendwie halt. Die Leichtathleten knüpfen ziemlich große Hoffnungen an diese EM im Berliner Olympiastadion und am Breitscheidplatz, wo die Veranstalter trotz des Terroranschlags im Dezember 2016 eine Dependance eingerichtet haben. Die olympische Kernsportart Leichtathletik möchte etwas von dem Glitter abbekommen, der sonst immer nur auf Fußballer herabregnet. Deswegen versucht die Leichtathletik, sich hübsch zu machen, vor allem natürlich für die Leute vom Fernsehen, die ja schon ganz anderen Sportarten zu Ruhm verholfen haben, Stichwort Biathlon.

Was wird nicht alles überlegt: einzelne Events heraus aus den Stadien zu bringen oder Mixed-Staffeln laufen zu lassen. Das mögen alles gute Ideen sein, aber die Leichtathletik wird nicht gerettet, weil Kugelstoßwettbewerbe an der Gedächtniskirche veranstaltet werden. Erst wenn die Fernsehmacher endlich ihren Auftrag ernst nehmen, Vielfalt abzubilden, die ganze Vielfalt des Sports, wird es was. Allenthalben werden Loblieder auf diese Vielgestaltigkeit gesungen, in den Sendeanstalten mag man aber den nötigen Sportbezug nicht herstellen. Dort wird Fußball satt gesendet, und begründet wird die Fixierung auf diesen Dominanzsport damit, dass nun mal die Quote stimme.

Mag sein, aber gerade ARD und ZDF sollten es sich nicht zu einfach machen und ihrem (Sport-)Informationsauftrag nachkommen. Die besseren Geschichten lassen sich nicht selten von Sportlern erzählen, die in einem Kajak sitzen, den Speer werfen oder vom Zehnmeterturm springen. Der Monothematismus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen schadet dem olympischen Sport. Der Tunnelblick, mit dem die Verantwortlichen durch die bunte Sportlandschaft schreiten und immer wieder nur einen Fußballplatz erblicken, ist ein Symptom der Bequemlichkeit – und ein Ärgernis für alle Sportinteressierten, die nicht nur bei Fußballgroßevents auf den Zug der Teilzeitbegeisterten aufspringen.

Eine Besserung zeichnet sich ab. ARD und ZDF überlegen, die Wintersportwochenenden als Blaupause für die Sommersportler herzunehmen. Die European Championships, die jetzt in Berlin und Glasgow veranstaltet werden, sind eine Teststrecke, auf der die Parade der Turner und Ruderer, Schwimmer und Leichtathleten läuft. Man wird sehen, ob es genug Zuschauer gibt.

Der olympische Sommersportler muss ja immer mit strukturellen Nachteilen leben. Es ist Urlaubszeit, Draußenwetter. Aber das allein ist es nicht. Manch ein Nischensportler steht wie ein Klotz vor der Kamera, versagt wie die Turnerinnen im wichtigen Moment. Die Ruderer schicken eine halbe B-Mannschaft nach Glasgow. Die Chance ist da, man muss sie halt auch nutzen.

6 Aug 2018

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Markus Völker

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