taz.de -- Initiative gegen Reklame in Berlin: Erfolgreiche Werbung in eigener Sache
Die Initiative „Berlin Werbefrei“ sammelt 43.000 Unterschriften und nimmt die erste Hürde Richtung Volksentscheid. Auch Linke und Grüne wollen Reklame einschränken.
Schluss mit der haushohen Handywerbung am Baugerüst, mit Plakatwänden voller Kippenreklame und sogar mit dem Firmenschriftzug auf dem Hochhaus: Fast 43.000 BerlinerInnen fordern ein weitgehendes Verbot von Werbung im öffentlichen Raum. Sie unterstützen mit ihrer Unterschrift die Initiative Berlin Werbefrei, die mit einem Volksentscheid dieses Ziel erreichen möchte. Der erste Schritt dorthin dürfte damit erfolgreich sein: nötig sind lediglich 20.000 gültige Unterschriften von wahlberechtigten BerlinerInnen.
Die Stadt würde anders aussehen, wenn die Ziele der Initiative umgesetzt werden. Ihr Gesetzentwurf drehe die aktuelle Rechtslage um, erklärte Sprecher Fadi El-Ghazi am Freitag bei der Präsentation der Unterschriften. Bisher sei Werbung in der Öffentlichkeit grundsätzlich erlaubt und nur in Ausnahmefällen verboten; künftig wäre sie grundsätzlich verboten und nur in – genau definierten – Ausnahmen erlaubt. „Das macht der Verwaltung die Entscheidung sogar leichter als bisher“, betonte El-Ghazi. Denn: die eigentlich verbotene „störende Häufung“ von Werbung werde oft ignoriert, wie sich an den langen Reihen von Plakatwänden etwa am Moritzplatz zeige.
Grundsätzlich müssten laut dem Gesetzentwurf so gut wie „alle Werbeanlagen außer der Litfaßsäule verschwinden“, sagte El-Ghazi, der die Initiative aus rund 40 Menschen auch juristisch berät: also große und kleine Werbevitrinen analoger und digitaler Art genau wie Großklebefläche, Poster an Baugerüsten und auf Bussen und U-Bahnen.
Erlaubt wären hingegen weiterhin Plakate für Kulturveranstaltungen, das beleuchtete Schild über dem Ladeneingang und Werbung an Gebäuden, wenn diese unmittelbar der Finanzierung zum Beispiel von dessen Sanierung dient. Außerdem soll es Berlin gestattet sein, landeseigene Sanitäranlagen und Haltestellen zeitlich begrenzt durch Werbung zu finanzieren.
„Von unsere Initiative profitiert die lokale Kulturwirtschaft, weil ihre Plakate deutlicher wahrgenommen werden“, so der Sprecher. Negativ wäre sie vor allem für internationale Großkonzerne wie Getränkehersteller oder Handyproduzenten – denn andere könnten sich Werbung dieser Art gar nicht leisten.
Besonders stört sich die Initiative an den rund 1.050 hinterleuchteten und digitalen Werbevitrinen, die die Firma Wall laut einem neuen Vertrag mit der Senatsverwaltung für Verkehr ab 2019 aufstellen darf. „Diese Form der Werbung lenkt ab – im Straßenverkehr ist das sehr gefährlich“, sagte El-Ghazi. Die Senatsverwaltung, die diese Vitrinen auch für aktuelle Verkehrsinformationen nutzen darf, verweist indes darauf, dass mit diesem Vertrag die Zahl der Standorte für Großwerbevitrinen um mehr als 30 Prozent reduziert worden sei, teilte Matthias Tang, Sprecher der Verwaltung, mit.
Die genau 42.810 Unterschriften für das Volksbegehren werden nun von der Senatsinnenverwaltung geprüft. Langwieriger dürfte der juristische Check des von der Initiative vorgelegten Gesetzentwurfs werden. Mindestens zwei bis drei Monate werde dieser dauern, habe die Innenverwaltung ihnen mitgeteilt, sagt Fadi El-Ghazi. Martin Pallgen, Sprecher der Innenverwaltung, bestätigt diesen Zeitraum nicht. Er betont, dass man intensiv und ohne Zeitdruck arbeiten wolle. Zuletzt haben die Überprüfungen von Volksbegehren schon mal sechs Monate und mehr gedauert.
Fällt diese positiv aus und stimmt das Abgeordnetenhaus dem Inhalt des Gesetzentwurfs nicht zu, darf die Initiative damit beginnen, die nötigen rund 175.000 Unterschriften innerhalb von vier Monaten für einen Volksentscheid zu sammeln.
Die Berliner Grünen signalisierten derweil grundsätzlich Zustimmung für das Ziel der Initiative. Die große Zahl der Unterschriften zeige, dass „eine Debatte über Werbung im öffentlichen Raum dringend notwendig ist“, erklärte Parteichef Werner Graf. Ähnlich bei den Linken: Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher, die letztlich für das Thema zuständig ist, hatte der taz gesagt: „Dass der öffentliche Raum nicht in zu starkem Maße kommerzialisiert werden sollte, kann ich gut nachvollziehen.“
13 Jul 2018
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