taz.de -- Kolumne Russia Today: Probleme praktisch lösen

Am Ende doch noch den richtigen Flieger erreicht. Das ist Russland. WM-Organisationschef Witali Mutko „ruhen lassen“. Auch das ist Russland.
Bild: Er ruht, wie man sieht: WM-Organisationschef Witali Mutko

Diesen Satz habe ich doch schon einmal gehört. „That’s Russia“, sagte mir mein Schicksalsgenossen am Moskauer Flughafen, als wir es erstaunlicherweise noch in den Flieger nach Kaliningrad geschafft hatten. Unsere beiden Flüge waren aus dem System der russischen Fluggesellschaft gefallen. Wie das passieren kann? Diese Frage stellt sich hier gar nicht, passiert eben. So ist das Leben.

Und daraufhin wurde am Telefon in nicht endend wollenden Gesprächen ermittelt, wie wir beide wieder ins System zurückgeholt werden können. Unsere Präsenz und die unserer Nachweise ließen sich ja nicht leugnen.

Es war ein sehr sportlicher Wettlauf mit der Zeit. Das Problem wurde gelöst, als es eigentlich schon zu spät war. Doch die Airline stellte uns ihren sprintstärksten Mitarbeiter zur Verfügung, der mit uns beiden durch das riesige Gebäude raste, als wolle er eine flughafeninterne Bestzeit aufstellen. Als ich dem Tempo nicht mehr gewachsen war und schon abreißen und die anderen abreisen lassen wollte, waren wir glücklicherweise am richtigen Gate angekommen. Und dann kam eben wieder dieser Satz: „That’s Russia.“

Mit einem entschuldigenden Lächeln hatte das auch diese Frau in Nischni Nowgorod gesagt, als sie mir erklärte, wie man im Bad, wo das Wasser auch bei zugedrehten Hähnen lief, den Strom doch zum Versiegen bringen kann. Sie zeigte mir den Haupthahn, der die Wasserzufuhr für die ganze Wohnung stoppte. Etwas tropfte es zwar immer noch, aber das war kein Vergleich mit dem Strom, der sich zuvor ins Becken ergoss.

Ein großes Problem war in Russland vor dem großen Turnier der WM-Organisationschef Witali Mutko. Wegen seiner Verflechtungen in das russische Dopingsystem war er sowohl als Präsident des Fußballverbands als auch als oberster WM-Repräsentant nicht mehr tragbar.

Die Lösung sah dann so aus: Das Präsidentenamt ließ Mutko „ruhen“, wie er sich ausdrückte, die WM-Geschäfte wurden offiziell Alexej Sorokin übertragen. Man hatte in den russischen Presseerklärungen nur den Zusatz vergessen: „That’s Russia.“ Denn das Amt des Vizepremiers hat Mutko behalten. In dieser Funktion tritt er bei dieser WM regelmäßig und unbekümmert auf.

Jetzt weiß ich, wie Russland ist. Man hat immerzu mit Problemen zu kämpfen und löst sie am Ende irgendwie – radikal oder originell. Das ist eigentlich sehr praktisch, denke ich. Die deutsche Nationalmannschaft kann davon nur träumen. Beim DFB-Team ist es ja umgekehrt. Man leugnet permanent, Probleme zu haben, und lösen kann man sie letztlich auch nicht.

29 Jun 2018

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Johannes Kopp

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