taz.de -- Kommentar WM-Modus: Weg mit der Vorrunde!

Frankreich gegen Dänemark war ein Grottenkick. England gegen Belgien wird einer werden. Schuld daran ist der Vorrundenmodus. Abschaffen.
Bild: So guckt ein Fan, der die Qualität des Spiels Frankreich gegen Dänemark beurteilt

Nischni Nowgorod taz | Wer hat sich auf dieses Spiel in der Vorrunde nicht gefreut? England gegen Belgien, das klingt nach großem Fußball. Nach Esprit, Tempo und hoher Kunst. Daraus wird aber nichts. Zu erwarten ist am Donnerstag in Kaliningrad eine Totalverweigerung. Schlimmstes Ballgeschiebe und das zähe Warten auf den Schlusspfiff. Denn beide Teams sind unabhängig vom Ergebnis dieser Partie bereits fürs Achtelfinale dieser Weltmeisterschaft qualifiziert sind.

Gut möglich, dass auf den Verlierer der Begegnung gar der einfachere Gegner in der nächsten Runde wartet. In der Gruppe, die hierfür von Interesse ist, könnte Japan aufgrund der leichteren Aufgabe Gruppenerster vor den eigentlich stärkeren Teams aus Kolumbien und dem Senegal werden. Verlieren ist also möglicherweise am besten. Keine gute Voraussetzung für ein packendes Fußballspiel.

Am Dienstag fühlten sich die Zuschauer im ausverkauften Luschniki-Stadion von Moskau bereits verschaukelt, [1][als Frankreich und Dänemark beim 0:0 einen Nichtangriffspakt schlossen], der beide in diesem Turnier weiterbrachte.

Die Mehrzahl der 78.000 Menschen machten ihrem Ärger mit einem gellenden Pfeifkonzert Luft. Arglos erklärte hinterher Frankreichs Trainer Didier Deschamps: „Ein Punkt war für Dänemark gut und wir mussten nicht ins Risiko gehen. Dieses Unentschieden war für jeden gut.“ Was wäre nur los gewesen, wenn [2][Australien im anderen Gruppenspiel] sich nicht selbst aus dem Turnier genommen hätte? Mit einem Sieg gegen Peru hätten sie den Dänen noch gefährlich werden können. Die Partie wäre als „Schande von Moskau“ in die Geschichtsbücher eingegangen.

Schlimmster Antifußball

Da werden doch Erinnerungen wach, oder? Die Vorrunde der Weltmeisterschaft gehört endlich abgeschafft. Schlimmsten Antifußball musste man schon bei dem großen Turnier in der Vergangenheit ertragen, wenn die Konstellationen keine Anstrengungen mehr erforderlich machten. Das Phänomen ist nicht neu. Wer erinnert sich nicht an die verschobene Partie zwischen Österreich und Deutschland bei der WM 1982 in Spanien, die eben als „Schande von Gijon“ zu einem stehenden Begriff für Betrug wurde? Algerien war damals das leidtragende Team.

Wenn Belgien und England in Kaliningrad ihre Kräfte schonen werden, muss zwar kein anderes Team darunter leiden, aber die Fußballfans im Stadion und vor den Bildschirmen um so mehr.

Der Modus für die auf 48 Teilnehmer dann erweiterte WM 2026 ist noch nicht endgültig festgelegt. Man plant derzeit mit 16 Vorrundengruppen. Es wäre besser, man würde noch für die Abschaffung der Vorrunde votieren. Schlechten Fußball kann man mit keinem Regelwerk der Welt verhindern. Den bekommt man auch in den K.o.-Spielen zu sehen, wenn beide Teams das Risiko scheuen. Doch diese Begegnungen leben zumindest von dem Wissen, dass sich niemand vor einer Entscheidung drücken kann.

Das einzige Problem von einem Turnier, das von Beginn an auf Ausscheidungsspiele setzt, ist die mangelnde Teilhabe der kleinen Nationen. Wer mag schon aus Peru nach Russland reisen, wenn nach einer Begegnung bereits Schluss ist. Doch auch hier kann man zu Kompromisslösungen finden. Warum nicht wie in der Champions League einen Modus aus Hin und Rückspiel schaffen? Das könnte zudem spannend sein. Wen hätte es nach dem verpatzten Start gegen Mexiko nicht interessiert, welche Lehren die Deutschen daraus in einem zweiten Duell gezogen hätten?

Und letztlich darf das Argument der Partizipation nicht dazu führen, dass man dafür den Fußball opfert. In Russland kann man nur hoffen, dass sich England und Belgien im späteren Turnierverlauf noch einmal begegnen und beide gewinnen wollen und müssen.

27 Jun 2018

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AUTOREN

Johannes Kopp

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